Die Entwicklung psychoanalytischer Konzepte von Weiblichkeit

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Historische Grundlagen bei Freud
Sigmund Freud legte den Grundstein für die psychoanalytische Auffassung von Weiblichkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In einer Zeit viktorianischer Sexualmoral und patriarchaler Ausgestaltung der Gesellschaft versuchte sich Freud, dem „Rätsel der Weiblichkeit“ anzunehmen​. Berühmt ist sein Ausspruch, das Sexualleben erwachsener Frauen sei für die Psychologie ein „dunkler Kontinent“​ – ein Eingeständnis, dass die weibliche Sexualität seinem Verständnis teilweise entglitt. In Schriften wie „Über einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds“ (1925) und seinem Vortrag „Die Weiblichkeit“ (1933) entwickelte Freud ein kontroverses Entwicklungsmodell für Mädchen​. Ausgangspunkt ist dabei, dass Jungen und Mädchen zunächst beide an die Mutter gebunden sind und eine „einheitliche maskuline Libido“ besitzen​. Erst mit dem Ödipuskomplex entstünde die Geschlechterdifferenz in der Psyche. Laut Freud durchläuft das Mädchen eine besondere ödipale Entwicklung. Zunächst befindet es sich – wie der Junge – in der phallischen Phase und richtet seine erste libidinöse Bindung auf die Mutter. Die Entdeckung des anatomischen Unterschieds – dass ihm im Vergleich zum Bruder oder Vater ein Penis fehlt – markiert dann einen Wendepunkt​. Freud postulierte, das Mädchen reagiere auf diese Entdeckung mit Neid auf das männliche Glied („Penisneid“) und einem Kastrationskomplex eigener Art. Das Mädchen fühle sich durch das Fehlen des Penis „schwer benachteiligt“ und gebe der Mutter die Schuld dafür​. In Freuds Sicht wendet das Mädchen sich vom geliebten Mutterobjekt ab und der Vaterfigur zu, in der unbewussten Hoffnung, vom Vater als Ersatz einen Kinderwunsch erfüllt zu bekommen – das Kind fungiert dabei als symbolischer Penisersatz​. Freud nahm an, dass diese Umlagerung der Libido die weibliche Version des Ödipuskomplexes darstellt: Die Tochter begehrt den Vater und rivalisiert mit der Mutter. Dieser Prozess verlaufe weniger abrupt als beim Jungen, da für das Mädchen keine akute Drohung einer Kastration bestehe – stattdessen fürchte es eher den Liebesverlust der Mutter​. Folglich sei die Auflösung des weiblichen Ödipuskomplexes unvollständiger und das weibliche Über-Ich schwächer ausgeprägt; Freud vermutete, Frauen hätten tendenziell weniger stark verinnerlichte Verbote, da ihnen der drastische Kastrationsangst-Schock fehle, der beim Jungen zur Identifikation mit dem Vater und zur strikten Über-Ich-Bildung führt​. Tatsächlich behauptete Freud 1925 sogar, der Einfluss des Penisneids präge die weibliche Charakterentwicklung unauslöschlich und werde „auch in den günstigsten Fällen nur unter großem Aufwand an Energie überwunden“​.

Freud beschrieb drei mögliche Entwicklungslinien für das Mädchen nach der Entdeckung der eigenen „Kastration“​:

(1) Abkehr von der Sexualität bzw. weitgehende Verdrängung des Begehrens, was zu Schamgefühl, Minderwertigkeitskomplexen oder Neurose führen könne;

(2) Ausbildung eines sogenannten Maskulinitätskomplexes, bei dem das Mädchen weiterhin den Wunsch hegt, ein Mann zu sein, und sich verweigert, eine weibliche Identität voll anzunehmen (Freud sah hierin die Wurzel mancher „männlicher“ Eigenschaften von Frauen und deutete es auch als möglichen Ursprung homosexueller Neigungen); oder

(3) die normale Weiblichkeitsentwicklung, bei der das Mädchen seinen Peniswunsch in den Kinderwunsch umwandelt, die Mutter als Vorbild (und Rivalin) schließlich akzeptiert und sich mit der weiblichen Rolle abfindet​.

Letzteres resultiere idealerweise in der Identifikation mit der eigenen Mutter und in der Fähigkeit, einen Mann zu lieben und Kinder zu bekommen – was Freud als Vollendung der weiblichen Ödipus-Lösung betrachtete.

Freuds Konzepte von Penisneid und weiblichem Ödipuskomplex standen im Kontext der spätviktorianischen Kultur. Im 19. Jahrhundert galten Frauen oft als sexuell passiver, „zierlicher“ oder primär mütterlicher Natur. Weibliche Sexualität war stark tabuisiert – etwa wurde weibliche Lust außerhalb der Fortpflanzung kaum thematisiert, und weibliche Masturbation oder sexuelles Begehren wurden pathologisiert (man denke an die Diagnosen der „Hysterie“)​. Freuds Theorien spiegeln diese kulturellen Annahmen wider, hinterfragen sie aber zugleich. So betonte Freud gegen die geltende Moral, dass auch Frauen starke sexuelle Triebregungen hätten – allerdings sah er diese letztlich durch das Fehlen eines Penis bestimmt. Seine Vorstellung einer „männlichen“ Einheitslibido implizierte sogar, dass Aktivität und Begehren ursprünglich männlich konnotiert seien und Weiblichkeit erst sekundär durch das Erleben des Mangels entstünde​. Diese Haltung – Weiblichkeit als Abwesenheit oder Defizit des Männlichen – sollte später heftige Kritik hervorrufen. Dennoch machte Freud wichtige Beobachtungen: Er erkannte, dass die frühe Mutter-Kind-Beziehung für beide Geschlechter zentral ist, und dass gesellschaftliche Verbote (Inzesttabu, patriarchale Autorität) tief in die Bildung der Geschlechtsidentität eingreifen. Auch seine Metaphern entstammten teils kulturellen Mustern: Wenn er weibliche Sexualität als „dunklen Kontinent“ allegorisierte, verglich er sie mit damals kolonial konnotiertem unbekannten Terrain – ein Bild, das implizit eurozentrische und patriarchale Perspektiven verrät.

Freud definierte also Weiblichkeit in erster Linie negativ, über das, was ihr im Vergleich zur Männlichkeit fehle. Das weibliche Begehren schien für ihn ein Rätsel, da es nicht direkt auf den Phallus gerichtet werden kann, sondern Umwege nehmen muss (über den Wunsch nach einem Kind usw.). Diese Theorie bot eine erste, wenn auch unausgewogene, psychologische Erklärung für weibliche Identität und trug dazu bei, das bis dahin Unsagbare – weibliche Sexualität – überhaupt zum Thema zu machen. Die phallozentrische Einseitigkeit allerdings provozierte bereits früh Widerspruch von Analytikerinnen und später fundamentale Revisionen durch feministische Theoretikerinnen.

Feministische Kritik und Weiterentwicklung

Ab den 1920er Jahren begannen Psychoanalytikerinnen und feministische Denkerinnen, Freuds Konzepte von Weiblichkeit kritisch zu beleuchten und weiterzuentwickeln. Eine der ersten war Karen Horney, die 1926 in ihrem Essay „Die Flucht aus der Weiblichkeit“ offen Freuds Penisneid-Theorie in Frage stellte. Horney argumentierte, Freud habe die psychosexuelle Entwicklung von Frauen verkannt, indem er sie lediglich als Abkömmling der männlichen Entwicklung beschreibe. Sie bezweifelte, dass das kleine Mädchen sich generell minderwertig fühlt, nur weil ihm ein Penis fehlt. Vielmehr seien die von Freud beobachteten Gefühle (Neid, Unterlegenheitskomplex) sozial mitbedingt: Mädchen sehen, dass in einer patriarchalen Kultur Jungen und Männer für ihr Geschlecht bevorzugt werden. Der sogenannte Penisneid könne also ebenso als Neid auf die männlichen Privilegien verstanden werden, nicht auf das Organ selbst​. Horney drehte den Spieß sogar um: In einer provokanten Gegenhypothese postulierte sie das Konzept des „Gebärneids“ („womb envy“) bei Männern​. Männer könnten unbewusst die einzigartige Fähigkeit der Frau, Kinder zu gebären und zu stillen, beneiden – was sich in manchem männlichen Überlegenheitsstreben und der Abwertung des Weiblichen ausdrücke. Tatsächlich meinte Horney, „Männer müssen Frauen abwerten, mehr als umgekehrt“, gerade weil sie insgeheim an der weiblichen Fähigkeit zur Mutterschaft nagen​. Diese Ideen verschoben den Fokus von der Biologie auf die kulturelle Geschlechterordnung: Weibliche „Minderwertigkeitsgefühle“ seien nicht naturgegeben, sondern Ergebnis einer Gesellschaft, die Frauen gering schätzt. Horney plädierte dafür, eine eigenständige weibliche Psychologie anzuerkennen, anstatt Frauen nur als „verkappte Männer“ zu betrachten​. Ihre Perspektive gilt als erster bedeutender feministischer Einspruch in der Psychoanalyse. Sie bereitete den Weg, Weiblichkeit nicht länger nur negativ (als Mangel), sondern positiv und aus eigener Erfahrung heraus zu definieren.

Etwa zeitgleich begann Melanie Klein, Freuds Theorien durch Beobachtung von Kindern zu erweitern. Klein interessierte sich zwar weniger explizit für Frauenfragen im politischen Sinn, doch ihre Beiträge zur Objektbeziehungstheorie verlagerten den Schwerpunkt der Entwicklungstheorie: weg vom Vater und phallischen Aspekt, hin zur frühen Mutter-Kind-Beziehung. Klein entdeckte, dass bereits Säuglinge und Kleinkinder – Mädchen wie Jungen – komplexe Fantasien über die Mutter und deren Körper haben​. So beschrieb sie das Konzept des „frühen Ödipuskomplexes“ im ersten Lebensjahr: Das Kleinkind phantasiert einen „kombinierten Eltern“-Bild, etwa die Mutter mit dem im Inneren enthaltenen Vater-Phallus und vielen Babys​. Insbesondere erkannte Klein, dass kleine Mädchen primäre weibliche Wünsche entwickeln, die nicht bloß aus Penisneid abgeleitet sind. Ein Mädchen richtet z.B. begehrliche und aggressive Fantasien sowohl auf den mütterlichen Körper (etwa Neid auf die Brust, Fantasien die Mutter auszubeuten) als auch auf den Vater. In Kleins Szenario wünscht das Mädchen sich sehr früh, den vom Vater „in der Mutter deponierten“ Penis zu besitzen und eigene Kinder zu bekommen​. Damit postulierte sie eine eigene weibliche Libido bereits im frühesten Erleben, die nicht schlicht durch das Fehlen eines Penis bestimmt ist. Außerdem widersprach Klein der freudschen Annahme eines schwachen weiblichen Über-Ich: Ihrer Beobachtung nach entwickeln Kinder beiderlei Geschlechts sehr früh innere Verbote und Gewissensinstanzen – sogar oft strenger als später​. Das Über-Ich entsteht laut Klein schon in der vorsprachlichen Phase aus der Beziehung zur (guten oder bösen) Mutterbrust, nicht erst durch die Drohung des Vaterverlusts. Damit entwertete Klein die Idee, Frauen hätten zwangsläufig ein weniger ausgeprägtes Gewissen; sie zeigte, dass die Mutter an der Bildung von Moral und Identität wesentlich beteiligt ist, nicht nur der Vater. Obwohl Melanie Klein Freuds Terminologie (Kastration, Phallus etc.) weiter verwendete, gab sie der Mutter und dem weiblichen Körper eine zentrale Rolle als begehrtes und gefürchtetes Objekt in beiden Geschlechtern. Kleins Schüler und Nachfolgerinnen entwickelten ihre Einsichten weiter, was zur Aufwertung der vorödipalen Mutter-Tochter-Beziehung führte – ein Thema, das Freuds Theorie vernachlässigt hatte. Ihre Arbeit bereitete so den Boden für eine weniger phallozentrische Sichtweise, in der Weiblichkeit nicht nur als Abwesenheit, sondern als eigenständige Qualität im frühkindlichen Erleben vorkommt​.

In den 1960er und 70er Jahren, im Zuge der zweiten Welle des Feminismus, entstand eine Bewegung der psychoanalytischen Feministinnen, die Freuds Theorien sowohl kritisierten als auch kreativ umformulierten. Eine Schlüsselfigur ist die amerikanische Soziologin und Analytikerin Nancy Chodorow. In ihrem Werk „The Reproduction of Mothering“ (1978) verbindet Chodorow Freuds Konzepte mit soziologischer Analyse. Sie stimmt Freud zu, dass die frühe Mutterbindung zentral ist, interpretiert aber die Folgen anders: Weil in den meisten Kulturen die Mutter die Hauptbezugsperson für das Kleinkind ist, erleben Jungen und Mädchen diese Situation unterschiedlich​. Die Tochter sieht in der Mutter eine Person, mit der sie ähnlich ist („sie ist wie ich“), während der Sohn sich als anders erlebt​. Chodorow zufolge führt diese subtile Differenz dazu, dass Mädchen keine so scharfe Ablösung von der Mutter vollziehen müssen wie Jungen​. Das Mädchen bleibt tendenziell länger in einer engen Beziehung zur Mutter und entwickelt dadurch eine Identität, die stark auf Beziehungen und Fürsorge ausgerichtet ist – es formt ein „self-in-relation“, ein Selbst in Beziehung​. Jungen hingegen definieren sich aus der Notwendigkeit, anders als die Mutter zu sein: Sie betonen Trennung, Autonomie und Differenz, um ihre männliche Identität zu etablieren. Daraus erklärt Chodorow typische Geschlechtsunterschiede in der Psyche: Frauen betonen Empathie, Verbundenheit und das Kümmern um Andere, während Männer mehr zu Abgrenzung, Individualismus und Wettbewerb tendieren​. Diese Unterschiede sind jedoch nicht angeboren, sondern Resultat der sozialen Organisation des Familienlebens. Chodorow kritisierte Freud dafür, dass er die historisch spezifische Situation – Mutter als alleinige Bezugsperson, Vater eher distanziert – als naturgegeben hinnahm. Tatsächlich, so Chodorow, „reproduziert“ jede Generation durch die Arbeit der Mütter bestimmte psychologische Geschlechtsmuster (daher der Buchtitel). Um die patriarchale Dynamik zu durchbrechen, schlug sie vor, die Kindererziehung zwischen Müttern und Vätern gleicher zu verteilen. Wenn auch Männer intensiv an der Fürsorge beteiligt wären, würden Jungen nicht mehr Weiblichkeit mit Abhängigkeit und Weib mit Geringschätzung verbinden, und Mädchen könnten Autonomie lernen, ohne Weiblichkeit aufzugeben​. Chodorows Arbeiten integrieren psychoanalytisches Verständnis mit feministischer Gesellschaftskritik. Sie verwarf Freuds phallozentrische Fixierung und schlug vor, Geschlechtsidentität als flexibler, beziehungsdynamischer Prozesszu begreifen, der sich mit veränderten sozialen Bedingungen ebenfalls verändern kann. Damit verlagerte sich der Blick von einem scheinbar universellen Ödipuskomplex hin zu kulturellen Unterschieden und Reformmöglichkeiten im Hier und Jetzt.

Eine weitere bedeutende Denkerin ist die New Yorker Analytikerin Jessica Benjamin, die in den 1980er Jahren Freuds Theorien aus der Perspektive der Intersubjektivität neu las. In „The Bonds of Love“ (1988, dt. Die Fesseln der Liebe) kritisiert Benjamin, dass die klassische Psychoanalyse Beziehungen stets als Machtgefälle denke – aktiv vs. passiv, beherrschend vs. unterworfen – und dass Frauen darin meist zum Objekt degradiert würden​. Sie bemerkt, dass Freud und auch viele Nachfolger (etwa Lacan) das Sozialleben im Grunde als „eine Welt der Männer“darstellten, gegründet auf der Vater-Sohn-Beziehung; Frauen erscheinen nur als Dritte, als begehrte Objekte, um die Männer konkurrieren​. Benjamin hinterfragt diese phallozentrische Dramaturgie und schlägt vor, die Entwicklung des Selbst als Wechselwirkung zweier Subjekte zu verstehen – insbesondere als Wechselspiel zwischen Mutter und Kind​. Schon das Baby ist aktiv und sucht Anerkennung von der Bezugsperson, nicht bloß Nahrung oder Triebbefriedigung​. Die Mutter ist dabei nicht nur Objekt der Begierde (wie im Ödipusmythos), sondern ein eigenes Subjekt, das auf das Kind reagiert. Wenn dieses gegenseitige Anerkennen misslingt, entstehen laut Benjamin Dominanzstrukturen: Das Kind (ob Junge oder Mädchen) kann dann Autonomie nur gewinnen, indem es die Mutter abwertet oder „beherrscht“ – ein Muster, das später die Geschlechterbeziehungen prägt​. Insbesondere analysiert Benjamin das Dilemma der Tochter: Weil in der patriarchalen Familie Macht und Subjektstatus mit dem Vater assoziiert sind, sucht das Mädchen oft „Befreiung im Vater“. Es lehnt die vermeintlich schwache Mutter ab und idealisiert den Vater, verbindet dabei aber (unbewusst) Weiblichkeit mit Unterwerfung – denn um des Vaters Liebe willen nimmt es eine abhängige Rolle ein​. Dies führe zum zerklüfteten weiblichen Selbstbild, in dem Begehren und Autonomie auseinanderfallen: Die Frau begehrt (heterosexuell) den Mann und unterwirft sich dem, was er verkörpert, während unabhängiges Handeln als „unweiblich“ empfunden wird​. Benjamin stimmt mit Chodorow darin überein, dass die Mutterrolle in unserer Gesellschaft überhöht und isoliert ist – was ungesunde psychische Dynamiken erzeugt​. Allerdings betont sie, dass die Lösung nicht allein in einer veränderten Erziehungspraxis liegt, sondern auch in einem veränderten Verständnis von Subjektivität. Psychoanalyse, so Benjamin, müsse über das Modell vom einsamen (männlichen) Helden, der seinen Ödipus durch Kampf löst, hinausgehen. Sie entwirft eine Vision von wechselseitiger Anerkennung in Beziehungen, worin männliche und weibliche Subjekte gleichwertig teilnehmen. Dadurch könnte die binäre Hierarchie – aktiv vs. passiv, Subjekt vs. Objekt – durchbrochen werden. Indem Benjamin Hegels Dialektik vom „Herrn und Knecht“ mit Winnicotts Bindungstheorie verknüpft, zeigt sie eine Alternative auf: Die Mutter muss dem Kind erlauben zu „zerstören“ (in der Fantasie) und sich dennoch als eigenständig behaupten, und das Kind muss seine aggressiven Impulse ausdrücken dürfen, ohne die Beziehung zu verlieren​. So lernen beide, dass wahre Verbundenheit Differenz aushält. Benjamins Ansatz ist wegweisend für eine nicht-dominante Geschlechterbeziehung und wurde in der relationalen Psychoanalyse aufgegriffen. Feministisch relevant ist, dass sie erklärt, warum Frauen oft an patriarchaler Unterordnung festhalten (nämlich aus unbewusster Sehnsucht nach Anerkennung auf vertrautem Weg) und wie man diese Bindung lösen könnte, ohne die Beziehung zu gefährden​. Insgesamt verschiebt sich mit Autorinnen wie Chodorow und Benjamin der Fokus weg von biologischen „Fakten“ (Penis oder Uterus) hin zu sozialen Beziehungen und Symbolisierungen, in denen Weiblichkeit gelebt und definiert wird.

Parallel zu diesen angloamerikanischen Entwicklungen formierte sich in Frankreich eine Schule kritischer Theoretikerinnen, die – teils mit psychoanalytischem Hintergrund – Freuds Phallozentrismus attackierten. Besonders Luce Irigaray und Julia Kristeva sind hier zu nennen, oft unter dem Etikett französischer Feminismuszusammengefasst. Luce Irigaray, selbst ausgebildete Psychoanalytikerin, veröffentlichte 1974 „Speculum. De l’autre femme“ (dt. Speculum oder Die andere Frau), eine brillante und polemische Dekonstruktion der Freud’schen Weiblichkeitslehre. Irigaray argumentiert, Freud habe die Frau stets nur als Spiegelbild des Mannes gedacht – als das „Andere“, das definitorisch vom Mann abhängt (im Lateinischen ist Speculum der Spiegel). Seine Beschreibung des kleinen Mädchens als „kleiner Mann“ vor der Kastration​ und der weiblichen Sexualität als Abkömmling des männlichen Begehrens zeuge von einem blinden Fleck: Freud nehme bereits an, was er erklären will, nämlich dass der Phallus das erstrebenswerte Zentrum sei​. Irigaray nennt die Freud’sche Theorie phallozentrisch und logozentrisch – sie kreise um den Phallus und entwerte alles „Andere“ (Weibliche) als stumm oder leer. Dagegen versucht Irigaray, die spezifisch weibliche Erfahrung ins Zentrum zu rücken. Berühmt wurde ihr Konzept, dass die Frau eine „Sexualität hat, die nicht eine ist“ („ce sexe qui n’en est pas un“; so der Titel ihres 1977 erschienenen Essays​). Damit spielt sie darauf an, dass die weibliche Sexualität sich nicht in einem einzigen Organ bündeln lässt wie die männliche am Phallus. Anatomisch gesprochen, hat die Frau „zwei Lippen“, und die Lustzentren sind verstreut (Klitoris, Vagina, Brust etc.), was Irigaray symbolisch als Vielfalt und Diffusität des Weiblichen Begehrens deutet. Während der Phallus für Einheit, Zielgerichtetheit und starre Form steht, sei die weibliche Lust eher fließend, prozesshaft und dezentral – plural statt singular​. Irigaray kritisiert, dass in der männlich dominierten Sprache diese weibliche Eigenart keinen Ausdruck findet: Frauen würden gezwungen, sich in der Männersprache (die um Präsenz, Logik, Eins-Eindeutigkeit kreist) auszudrücken und dabei ihre eigene Körperlichkeit zu verleugnen. Ein bekanntes Konzept Irigarays ist die „weibliche Sprache“ oder écriture féminine, die das Schweigen des dunklen Kontinents brechen soll – eine poetische, indirekte Sprache, welche die Mehrdeutigkeit und Sinnlichkeit des Weiblichen transportiert (Irigaray selbst schreibt oft bewusst assoziativ statt linear-logisch). Sie prangert auch die „Maskerade der Weiblichkeit“ an: Frauen würden im Patriarchat gezwungen, eine künstliche Weiblichkeit vorzuspielen – etwa übermäßige Koketterie oder Passivität – um männlichen Erwartungen zu genügen, während ihr eigentliches Selbst unterdrückt werde. Stattdessen fordert Irigaray, Frauen sollten sich mimesis zunutze machen, d.h. die Klischees übertreibend zurückspielen, um sie ad absurdum zu führen, und gleichzeitig eine eigene weibliche Identität jenseits der Männerprojektionen entwickeln. Zentral bei Irigaray ist die Idee eines weiblichen Zugangs zum Göttlichen: Da in der Geschichte Gott fast immer männlich gedacht wurde, fehlt Frauen ein imaginärer Horizont, um Vollkommenheit und Subjektwert für sich zu denken​. Sie plädiert daher für die Schaffung eines „weiblichen Göttlichen“ – etwa einer weiblichen Gottesfigur oder einer spirituellen Dimension des Weiblichen – als notwendige Ergänzung, damit Frauen sich selbst als heilig und autonom erfahren können​. Irigarays einflussreiche Kritik hat gezeigt, wie sehr Freuds Theorie – trotz ihres Anspruchs auf wissenschaftliche Neutralität – von männlichen Normen geprägt war. Ihre poetischen Gegenentwürfe (etwa die Metapher der „zwei Lippen“ oder das Postulat weiblicher Göttlichkeit) wurden zwar teils kontrovers diskutiert, haben aber die Denkmuster in Psychoanalyse, Philosophie und Linguistik aufgebrochen. Weiblichkeit erscheint bei Irigaray nicht als Mangel, sondern als Überschuss und Andersheit, die sich der phallischen Logik entzieht. Damit legt sie den Grundstein für eine nicht-phallozentrische Betrachtung von Geschlecht, welche die Differenz wertschätzt, ohne in Hierarchie zu verfallen.

Julia Kristeva, bulgarisch-französische Literaturtheoretikerin und Psychoanalytikerin, ergänzte die Debatte um Sprache und Weiblichkeit um weitere Facetten. Kristeva führte in den 1970ern die Unterscheidung zwischen dem „Symbolischen“ und dem „Semiotischen“ ein, um die Grenzen der rein phallischen Sprache aufzuzeigen. Das Symbolische bezeichnet die strukturierte Sprache, Ordnung und Gesetz – in Analogie zum freudschen Vater-Prinzip oder Lacans Namen-des-Vaters. Demgegenüber steht das Semiotische, das vor-sprachliche, rhythmische, körpernahe Element der Bedeutung, das Kristeva mit der frühen Verschmelzung mit der Mutter assoziiert. Sie schlägt vor, dass Literatur, Kunst und bestimmte Formen von religiöser Ekstase Ausdruck dieses semiotischen Prozesses sind, der in die Sprache einbricht und sie durchbricht. Weiblichkeit ist für Kristeva eng mit diesem Semiotic verbunden, da insbesondere die Erfahrung von Schwangerschaft und Mutterschaft eine Art Rückbindung an vor-symbolische, leibliche Rhythmen darstellt. In ihrem Essay „Stabat Mater“ (1977) etwa beschreibt sie parallel die theologische Verehrung der Jungfrau Maria und ihre eigenen Empfindungen als Mutter, um zu zeigen, wie die Kultur die mütterliche Erfahrung entweder idealisiert (Madonna) oder abwertet, aber kaum real ausspricht. Kristeva’s Haltung zur weiblichen Identität ist komplex: Sie behauptete provokativ „Die Frau existiert nicht“, worunter sie verstand, dass „Frau“ keine einheitliche Essenz ist, sondern eine vielschichtige Konstruktion aus biologischen, symbolischen und imaginären Anteilen. Jede Frau sei anders in ihrer Mischung aus Muttersein, sozialer Rolle und individuellem Begehrensweg – daher entzieht sich „die Frau“ als solche einer einfachen Definition. Zugleich betonte Kristeva, dass Frauen in der Kultur oft das Abjekte tragen müssen – all das, was die saubere, männlich definierte Ordnung stört (Blut, Geburt, Exkremente, hysterische Gefühlsausbrüche). In „Powers of Horror“ (1980, dt. Die Mächte des Grauens) analysiert sie, wie insbesondere die mütterliche Dimension vom Subjekt abgespalten und als Ekel empfunden wird, um die eigene Identität zu sichern. Somit beleuchtet sie den Mechanismus, wie patriarchale Kultur das Weibliche marginalisiert: indem es bestimmte Aspekte (Körperlichkeit, Mutterleib, Unordnung) ausstößt und Frauen damit identifiziert. Im Unterschied zu Irigaray, die mit utopischem Impetus von einer weiblichen Sprache spricht, bleibt Kristeva eher ambivalent: Sie sieht die Frau als notwendigerweise zerrissen zwischen dem Zug in die Symbolisierung (Teilhaben an der männlich geprägten Sprache und Kultur) und der Anziehung des Semiotic (dem Vorbewussten, verbunden mit der Mutter/Natur). Insofern plädiert Kristeva weniger für eine essential „weibliche“ Kultur als für eine Aufweichung der starren männlichen. Sie befürwortet, dass sowohl Männer als auch Frauen den semiotischen Bereich in sich anerkennen – was z.B. in Kunst, Poesie oder Religion geschehen kann. Kristevas Beiträge erweiterten das Verständnis von Weiblichkeit um die Dimension des Unbewussten in der Sprache: Weibliche Sexualität und Geschlechtsidentität sind demnach keine fixen Kategorien, sondern dynamische Prozesse, die eng mit Kultur und Religion verwoben sind. So untersuchte Kristeva z.B. in „Die neue Krankheit der Seele“ (1995) Depression und Melancholie als Phänomene, die häufig mit weiblichen Erfahrungen (wie der Trauer um die verlorene Verschmelzung mit dem Kind oder der eigenen Mutter) zusammenhängen – wiederum ein Versuch, vormals pathologisierte „weibliche“ Zustände in einen neuen Sinnzusammenhang zu stellen. Insgesamt hat der feministische Diskurs in und über die Psychoanalyse Freuds ursprünglich starres Modell der weiblichen Entwicklung in ein vielstimmiges Feld verwandelt. Von Horneys soziologischer Kritik über Kleins Betonung der Mutter, Chodorows interpersonale Re-Interpretation bis zu Irigarays und Kristevas poststrukturalistischen Visionen wird Weiblichkeit nun nicht mehr monolithisch gesehen, sondern als etwas, das innerhalb der Sprache, zwischen den Subjekten und innerhalb kultureller Machtverhältnisse immer neu geformt wird. Diese Theoretikerinnen legten das Fundament dafür, Psychoanalyse von einem phallozentrischen Erkenntnismodell in Richtung einer offeneren, differenzsensiblen Theorie zu transformieren.

Lacan und poststrukturalistische Sexualitätskonzepte

Während feministischen Denkerinnen die psychoanalytische Sicht von Weiblichkeit revolutionierten, fand gleichzeitig in der Psychoanalyse selbst eine bedeutende Weiterentwicklung durch Jacques Lacan statt. Lacan, der in den 1950er–1970er Jahren wirkte, knüpfte an Freud an, übersetzte dessen Begriffe jedoch in eine neue, sprachtheoretische Struktur. Im Zentrum von Lacans Theorie der Geschlechter steht der Begriff des Phallus als symbolischer Signifikant. Wichtig ist: Lacan unterscheidet strikt zwischen dem realen anatomischen Penis und dem Phallus als Signifikant, der Macht, Begehren und Differenz repräsentiert​. In seinem Aufsatz „Die Bedeutung des Phallus“ (1958) schreibt Lacan, der Phallus sei das Signifikat des Begehrens – das zentrale Zeichen, um das sich unbewusste Bedeutungen organisieren. Kein einzelnes reales Objekt (auch nicht der Penis) könne diese Funktion völlig erfüllen, weshalb der Phallus immer etwas Imaginäres und Symbolisches hat.

Lacan übernimmt Freuds Beobachtung, dass beide Geschlechter sich anfangs mit der Mutter identifizieren und das männliche Genital als privilegiert wahrnehmen. Aber er interpretiert das Resultat anders: Für Lacan ordnet sich das Subjekt (Junge wie Mädchen) beim Eintritt in die Sprache dem „Phallischen Signifikanten“ unter. Konkret: Das Kind erfährt, dass es selbst nicht alles für die (Mutter-)Anderere ist – es gibt etwas, das der große Andere begehrt, was das Kind nicht hat. Dieses etwas symbolisiert Lacan als den Phallus, der gewissermaßen die Markierung des Mangels darstellt​. In Lacans berühmter Formel: „Die Frau gibt vor, der Phallus zu sein, der Mann gibt vor, ihn zu haben.“ Das heißt, gesellschaftlich übernehmen Männer die Rolle, so zu tun, als wären sie im Besitz dieses begehrten Etwas (sie streben nach Macht, Erfolg, Status – alles phallische Ersatzzeichen), während Frauen zugeschrieben wird, dieses Etwas darzustellen (etwa als Muse, Schönheitsideal, Mutter der Erben etc.), ohne es wirklich zu besitzen. Beide Geschlechter sind somit „kastriert“ im Lacanschen Sinn, denn keines hat wirklich das imaginäre Objekt völliger Erfüllung. Lacan radikalisierte Freuds Diktum, dass die Libido männlich ist, indem er sagte: „Es gibt nur einen Signifikanten des Geschlechts: den Phallus“. Folglich ist Weiblichkeit in der symbolischen Ordnung zunächst Unsichtbares, ein Nicht-Ort: „Die Frau gibt es nicht“ („La femme n’existe pas“) – gemeint ist, dass „Die Frau“ als positives, volles Wesen im Symbolischen keine Repräsentation hat. Sie erscheint immer nur in Relation zum Phallus, als dessen Nicht-Haben. Diese provokante These – oft missverstanden als Auslöschung realer Frauen – meint bei Lacan, dass das Weibliche das Andere der Ordnung bleibt, eine Leerstelle, die sich der totalen Erfassung entzieht.

In seinem Seminar XX („Encore“, 1972/73) führte Lacan die berühmten Formeln der Sexuierung ein, die die Geschlechterverhältnisse formal-logisch beschreiben. Für das Männliche gilt demnach: Alle sind der phallischen Funktion unterworfen (d.h. alle Männer sind kastriert im Sinne von der symbolischen Limitierung), bis auf einige Ausnahmen (dies wären imaginär die Urväter oder Götter, die angeblich die volle phallische Macht besitzen). Für das Weibliche formuliert Lacan hingegen: Nicht alle sind der phallischen Funktion unterworfen, es gibt jedoch keine Ausnahme (d.h. keine Frau kann sich ganz außerhalb des Phallus definieren, aber auch keine steht vollständig innerhalb der phallischen Logik)​. Dies drückt aus, was er mit „Die Frau ist nicht ganz“ („la femme n’est pas toute“) meint: Frauen partizipieren zwar an der phallischen Symbolik (sprich, auch sie müssen die Sprache, Gesetze und Begrenzungen der Kultur übernehmen), aber es bleibt ihnen zugleich ein Bereich des Erlebens, der über das Phallische hinausgeht. Lacan postuliert eine „weibliche Zusatz-Jouissance“ (jouissance supplémentaire), eine andere Form von Lust/Genuss, die Männer nicht kennen und die nicht ins Wort gefasst werden kann. Als Beispiel verweist er auf die mystische Ekstase – etwa einer Teresa von Ávila, die unsagbare Vereinigung mit Gott erfährt. Lacan deutet an, Frauen hätten aufgrund ihres „Nicht-ganz-im-Phallus-Seins“ einen Zugang zu einer transzendenten Lust, einer Verschmelzungserfahrung, die jenseits des symbolisch strukturierten Genießens liegt. Damit gibt er dem Weiblichen eine paradoxe Doppelstellung: Innerhalb der Kultur repräsentiert die Frau den Mangel (sie „ist“ das, was dem Mann fehlt – das Objekt a, die Ursache seines Begehrens), aber jenseits davon steht sie dem Realem näher – jenem Bereich, der sich der vollständigen Symbolisierung entzieht. Lacan selbst sagte: „Die Frau hat ein Verhältnis zum Signifikanten des Phallus, aber sie ist nicht darin ganz aufgebraucht.“ Diese Sicht verleiht Weiblichkeit eine gewisse mysteriöse Erhabenheit: Frauen verkörpern aus Lacans Sicht sowohl die Grenze als auch das „Jenseits“ der Sprache.

Zugleich bleibt Lacan kritisch gegenüber biologischen oder identitätspolitischen Weiblichkeitsbegriffen. In bewusster Opposition zu Denkerinnen wie Horney betont Lacan, dass Weiblichkeit keine biologische Essenz und auch keine bloße soziale Rolle ist, sondern ein Effekt der Signifikantenordnung. Sein berühmter Ausspruch „Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern gibt es nicht“ (Il n’y a pas de rapport sexuel) bedeutet: Es gibt kein vorgegebenes harmonisches Ergänzungsverhältnis, kein vollständig kommunizierbares Einander-Verstehen der Geschlechter​. Vielmehr bleibt immer ein Überschuss an Missverständnis und Begehren. Dieser strukturelle Mangel im Verhältnis – quasi ein Antagonismus im Realen – spiegelt sich in kulturellen Mythen und individuellen Neurosen.

Hier knüpft der slowenische Philosoph Slavoj Žižek an, der Lacans Ideen weiterdenkt und auf Gesellschaft und Ideologie anwendet. Žižek betont, dass Lacans Leitsatz „Es gibt kein sexuelles Verhältnis“ nicht die Abwesenheit von Sex oder Liebe meint, sondern dass jede Geschlechterbeziehung durch fantasiegeleitete Projektionen vermittelt ist – letztlich verfehlt sich Mann und Frau immer ein Stück weit​. Žižek interpretiert die sexuelle Differenz als einen grundlegenden Widerspruch, der nicht auflösbar ist. In seinen Schriften (z.B. „Die Metastasen des Genusses“, 1994) argumentiert er, dieser Widerspruch färbe auf alle philosophischen Antinomien ab: Die Unmöglichkeit, Mann und Frau zu vereinen, spiegle die Unmöglichkeit, Wahrheit und Realität zur Deckung zu bringen​. Žižek geht so weit zu behaupten, dass die Unvollständigkeit der Welt – ihr Nicht-Aufgehen in ein Ganzes – mit der Spaltung durch das Geschlecht zu tun habe​. Hier wird Lacans Idee in die Ontologie übertragen: Weil unsere Vernunft immer sexuell „verdreht“ ist (so Žižek), stoßen wir auf unauflösliche Antinomien. Vereinfacht: Der Phallus als Signifikant der fehlenden Ganzheit sorgt dafür, dass es kein abschließendes System des Wissens oder der Gesellschaft gibt – überall taucht ein Riss auf. Žižeks oft provokante kulturkritischen Analysen (von Hollywoodfilmen bis zur Politik) kreisen immer wieder um dieses Thema: Männerfantasien von der „Femme fatale“ oder „Jungfrau/Mutter“, Frauenfantasien vom „ganzen Mann“, aber auch Ideologien von Nation oder Rasse – all das sind für ihn Versuche, den fundamentalen Mangel zuzudecken, den die sexuelle Nicht-Beziehung hinterlässt. So radikalisiert Žižek das psychoanalytische Denken darüber hinaus: Er zeigt, dass Geschlechterfantasien gesellschaftliche Fantasien sind. Indem er Lacans Theorem auf soziale Phänomene anwendet, liefert er zwar keine neue „Theorie der Weiblichkeit“ im engeren Sinne, aber eine Erklärung, warum Geschlechterdifferenz immer wieder emotional aufgeladen und politisch instrumentalisiert wird: Sie ist der Ursprungskonflikt, mit dem die menschliche Psyche ringt, ein „Widerspruch, der die Wirklichkeit selbst spaltet“​.

Eine Lacan’sche Denkerin, die explizit die Thematik Weiblichkeit/Sexualität behandelte, ist Joan Copjec. In ihrem Buch „Imagine There’s No Woman: Ethics and Sublimation“ (2002) setzt sie sich kritisch mit zeitgenössischen Kulturtheorien auseinander und verteidigt Lacans Verständnis der sexuellen Differenz​. Copjec argumentiert, viele postmoderne Ansätze (etwa Foucaultsche Diskursanalyse oder gewisse feministische Filmtheorien) vernachlässigten die von Freud und Lacan betonte Dimension des Unbewussten und Fantasmatischen. Sie greift speziell Lacans Satz „Die Frau existiert nicht“ auf und erklärt ihn neu: Es handle sich nicht um eine simple Verneinung realer Frauen, sondern um die Erkenntnis, dass „Frau“ im Universalen der Sprache ein Negativum bleibt – eine Leerstelle, die gerade kreativ wirksam ist​. Copjec verbindet Lacans Femininitätstheorie mit seinem Ethikbegriff der Sublimierung. Freud definierte Sublimierung als Umwandlung sexueller Triebe in kulturelle Leistungen, ein Konzept, das er aber relativ vage ließ. Laut Copjec hat Lacan die Sublimierung neu gedacht, indem er sie an das Weibliche knüpfte​. Weil „die Frau“ im Symbolischen fehlt, entsteht Raum für Neues – Kunst, Ethik, Erfindung. So interpretiert sie etwa Antigones Akt im Sophokles-Drama (die Beerdigung des Bruders gegen das Gesetz) oder moderne Kunstwerke von Cindy Sherman als Beispiele, wie weibliche Positionen etwas radikal Neues hervorbringen, indem sie die gegebene Ordnung überschreiten​. Copjec sieht im Satz „Es gibt keine Frau“ kein Ende des Denkens, sondern einen Aufruf, durch Denken die Differenz überhaupt erst zu erzeugen​. Sie warnt vor einem Relativismus, der nur noch unterschiedliche Perspektiven (meine/deine Meinung) kennt, aber vergisst, dass im Objekt selbst ein Riss liegt​. Das klingt abstrakt, hat aber einen Kernpunkt: Wenn man z.B. Geschlecht nur als frei wählbare Identität auffasst (so die Kritik an manchen Queer-Theorien), verkennt man den Anteil des Unbewussten und Realen – jenen unauflösbaren Rest, der sich entzieht. Copjecs Arbeiten betonen, dass Lacans oft als „frauenfeindlich“ kritisierte Aussagen in Wahrheit einen Schutz des Weiblichen als Andersheit darstellen: Statt die Frau im männlichen Begriffssystem aufzulösen, besteht Lacan darauf, dass sie nicht ganz hineinpasst – und genau darin liegt ihre Bedeutung. Diese Interpretation verleiht Lacans Phallustheorie einen fast philosophischen Tiefgang: Weiblichkeit steht für Copjec für die unaufhebbare Differenz, die jede universale Ordnung lebendig hält​.

Es lässt sich damit festhalten, dass die post-freudianische Psychoanalyse, insbesondere Lacan und seine Schüler, das Verständnis von Weiblichkeit in gewisser Weise ent-essentialisiert und gleichzeitig in neue Konzepte gefasst hat. Freuds biologisch fundierte Begriffe (Penisneid, Kastrationsangst) wurden von Lacan in Begriffe des Signifikanten und des Mangels übersetzt. Das hat einerseits die Tür geöffnet, Geschlecht jenseits der Biologie zu denken (als Position im Symbolischen, die prinzipiell auch unabhängig vom anatomischen Geschlecht eingenommen werden könnte – was spätere Queer-Theoretiker aufgriffen). Andererseits wurde die Kategorie „Weiblichkeit“ bei Lacan zeitweise fast ausgelöscht (als „Nicht-Existenz“ im Symbolischen), was viele als Rückschritt empfanden. Doch in den Weiterentwicklungen – etwa Lacans Konzept der „pas-toute“ (Nicht-ganz) und der anderen Jouissance – fand auch eine Aufwertung des spezifisch Weiblichen statt, indem man ihm Nähe zum Realem und zur Mystik zuschrieb. Feministische Theoretikerinnen wie Irigaray oder Copjec setzten sich intensiv mit Lacan auseinander: Irigaray kritisierte ihn scharf, Copjec verteidigte ihn gegen Missverständnisse. So entstand ein Dialog zwischen Psychoanalyse und Feminismus, der bis heute anhält. Wichtig festzuhalten ist, dass in diesen poststrukturalistischen Theorien die einfache Dichotomie „Mann aktiv, Frau passiv“ endgültig aufgebrochen wurde. Stattdessen reden wir nun über Begehren und Sprache, Macht und Mangel – Kategorien, die beide Geschlechter betreffen, aber unterschiedlich von ihnen erlebt werden. Lacans Diktum von der Nicht-Komplementarität der Geschlechter kann sogar als proto-queer gelesen werden, insofern es die Vorstellung von natürlichen, sich perfekt ergänzenden Rollen zurückweist. Allerdings blieb Lacan selbst in binären Denkmustern (Phallus/Weiblichkeit, Alles/Nicht-ganz) verhaftet, was Spielraum für Weiterentwicklungen in der Gegenwart lässt.

Moderne Konzepte: Timo Storcks Symbolik der „Beschneidung“ und Begrenztheit

In jüngerer Zeit versuchen einige Theoretiker, die psychoanalytischen Konzepte von Geschlecht und Mangel weiterzudenken und mit neuen Symbolen zu versehen. Einer dieser Ansätze stammt vom deutschen Psychoanalytiker Timo Storck, der die Idee einer allgemeinen menschlichen „Beschneidung“ als Symbol der Begrenztheit vorgeschlagen hat. Storck (2018) greift damit das klassische Motiv der Kastration – zentral bei Freud und Lacan – auf, übersetzt es jedoch in einen universelleren und zugleich kulturell aufgeladenen Begriff. Die Beschneidung  ist wörtlich die teilweise Entfernung des männlichen Genitals (der Vorhaut). In vielen Kulturen, insbesondere in religiösen Traditionen (Judentum, Islam), dient sie als rituelles Zeichen, z.B. des Bundes mit Gott oder der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Freud selbst hatte in „Totem und Tabu“ (1913) und später in „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ (1939) eine Deutung für dieses Ritual: Beschneidung als symbolische Kastration​. Er meinte, die Beschneidung sei ursprünglich ein Ersatz für die von einem Urvater angedrohte Strafe der Kastration und diene als Zeichen dafür, dass der Mann sich der väterlichen Autorität unterwirft​. Wer die Beschneidung akzeptiert, so Freud, zeigt damit seine Bereitschaft, dem Vater(gesetz) zu gehorchen, selbst um den Preis schmerzlicher Opfer​. Zugleich ist sie ein Schuldeingeständnis – ein Zeichen, dass die Söhne den Mord am Urvater sühnen und auf einen Teil ihrer sexuellen Freiheit verzichten​. In Freuds genealogischem Mythos markiert die Beschneidung also den Übergang von der wilden Rebellion zur kulturgründenden Schuld: Sie ist das Mal des Gesetzes am männlichen Körper​.

Storck greift diese reichhaltige Symbolik auf, erweitert sie aber über das spezifisch Männliche hinaus. Seine Idee der „allgemein-menschlichen Beschneidung“ besagt, dass letztlich jeder Mensch – unabhängig vom Geschlecht – eine Art seelische „Beschneidung“ erfährt, nämlich die schmerzliche Begrenzung seines ursprünglichen omnipotenten Anspruchs. In der frühen Entwicklung muss das Kind anerkennen, dass es nicht allmächtig und nicht das Zentrum der Welt ist: Dieser Verlust an Ganzheit entspricht dem, was die Psychoanalyse Kastration nennt. Storck verwendet nun das Bild der Beschneidung, um zu betonen, dass es dabei nicht um das tatsächliche Abschneiden eines Organs geht, sondern um das symbolische Abtragen eines Stücks der eigenen Allmacht. Der Mensch wird sozusagen „beschnitten“, indem ihm ein Teil seines narzisstischen Anspruchs genommen wird – sei es durch das Realisieren der eigenen Sterblichkeit, der Unterschiede zu Anderen oder der normativen Grenzen der Gesellschaft. Dieses Konzept schließt an Lacans Auffassung an, dass alle Subjekte beim Eintritt in die Sprache einen Verlust erleiden (eben den Verlust der imaginären Einheit mit der Mutter und der unbeschränkten Befriedigung). Storck unterstreicht jedoch den rituellen und transzendenten Aspekt dieser Erfahrung. Wie die religiöse Beschneidung ein Bund mit dem Heiligen ist – eine Demutsgeste vor Gott –, so kann die psychische Beschneidung als notwendiger Schritt zu Spiritualität und Demut verstanden werden. Der Mensch akzeptiert seine Endlichkeit (Finitude) und Unvollkommenheit und gewinnt dadurch erst Zugang zu einer höheren ethischen oder spirituellen Dimension. Storck spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Trauer um den Phallus“: Gemeint ist die Trauer um das Phantasma, ein unversehrtes, allumfassendes Glück (den imaginären Phallus) besitzen zu können. Diese Trauerleistung müssen beide Geschlechter erbringen. Frauen mögen zwar keinen realen Penis verlieren, aber auch sie müssen sich vom kindlichen Wunsch nach einer allmächtigen Mutter oder einer idealisierten Vaterliebe lösen – was einer vergleichbaren Entsagung gleichkommt. Männer hingegen müssen ihren phallischen Größenwahn relativieren. In der Psychoanalyse gilt: Erst indem man den Verlust akzeptiert, wird Wachstum möglich. Storck knüpft daran an und verknüpft es mit einem hoffnungsvollen Ausblick: Die anerkannte Begrenztheit (Beschneidung) öffnet die Person für Beziehungen, für Kreativität und für möglicherweise spirituelle Erfahrungen, die jenseits des narzisstischen Imaginären liegen.

Diese Sicht hat Implikationen für die Auffassung von Weiblichkeit und Männlichkeit. Weiblichkeit wäre dann nicht länger primär definiert durch das Fehlen eines Penis, sondern durch eine spezifische Weise, den grundlegenden Mangel zu handhaben. Wenn alle beschnitten sind, entfällt die Dichotomie „intakt vs. beschnitten“ (die Freud noch zwischen Jungen und Mädchen machte). Stattdessen könnte man fragen: Welche kulturellen Symbole und Rituale helfen Männern und Frauen, ihre gemeinsame menschliche Begrenztheit zu akzeptieren? Storck deutet an, dass die Antwort teilweise in der Religion liegen kann, insofern religiöse Riten (wie eben die Beschneidung, aber auch Taufe, Kommunion oder andere Initiationsriten) die Individuen demütig in eine größere Ordnung einbetten. Seine Idee verbindet somit Freuds ursprüngliche Sexualtheorie mit einer anthropologischen und spirituellen Perspektive: Das psychoanalytische „Kastrationssymbol“ wird neu aufgeladen als Symbol des Menschseins an sich – begrenzt, aber dadurch offen für das Transzendierende. In einer Zeit, in der starr dualistische Geschlechtskonzepte brüchig werden, bietet Storcks Ansatz einen integrativen Gedanken: Männer und Frauen teilen letztlich dieselbe kondition humaine, die durch Verlust und Endlichkeit geprägt ist. Ihre Wege, damit umzugehen, mögen unterschiedlich sein, doch können beide in etwas Universellem zusammenfinden – der Anerkennung eines „Schnitts“, der uns menschlich macht. Diese Konzeption führt zu der Frage, wie Psychoanalyse und Religion einander beleuchten können, insbesondere was die Geschlechterdifferenz und das Erleben von Begrenzung angeht.

Psychoanalyse und Religion: Geschlecht im Spiegel des Spirituellen

Freud selbst hatte ein ambivalentes Verhältnis zur Religion: Einerseits analysierte er religiöse Mythen mit psychoanalytischen Kategorien, andererseits lehnte er die religiöse Weltsicht als Illusion ab. In Texten wie „Totem und Tabu“ (1913) und „Der Zukunft einer Illusion“ (1927) beschrieb er Religion als kollektive Zwangsneurose, als Kinderwunsch nach dem übermächtigen Vatergott. Dennoch griff Freud immer wieder auf biblische und mythische Bilder zurück, um psychische Prozesse zu veranschaulichen – man denke an den Ödipus-Mythos oder an Moses. Besonders relevant für unser Thema ist Freuds letzter großer Text „Moses und die monotheistische Religion“(1939). Darin entwickelt er – neben historischen Spekulationen – die Idee, dass die Einführung der Beschneidung durch Moses ein traumatisches, aber kulturstiftendes Ereignis war, das die Vater-Sohn-Beziehung auf neue Grundlage stellte​. Wie oben erwähnt, interpretiert Freud die Beschneidung als Zeichen der Unterwerfung unter den göttlichen Vaterwillen​. Interessanterweise zieht er eine Parallele zwischen religiösem Gehorsam und psychischer Entwicklung: So wie der gläubige Jude das Gebot annimmt und einen Teil seines Fleisches opfert, muss nach Freud jeder Junge die Autorität des Vaters internalisieren und auf die verbotene Inzestlust verzichten. Religion erscheint hier als eine Verlängerung psychischer Mechanismen auf die kulturelle Ebene. Weiblichkeit kommt in Freuds Religionsdeutung kaum explizit vor – Religion ist für ihn ein primär patriarchales Phänomen (er spricht vom Vatergott, vom Sohnesgehorsam etc.). Allerdings kann man argumentieren, dass die Abwertung des Weiblichen (der Materie, der Sinnlichkeit) in vielen Religionen genau jenem psychoanalytischen Mechanismus entspricht, den Kristeva als Abjektion des Mütterlichenbezeichnet hat: Das Reine, Geistige (Gottvater) wird hochgehalten, während das Sinnlich-Weibliche (Natur, Körper, „fleischliche Begierde“) abgewertet wird. Freud selbst deutete etwa die Mutter-Erde-Religion der Ägypter (Isis-Osiris-Kult) als in Konkurrenz zum Moses’schen Vatergott stehend. Seine gesamte Konstruktion des Urmonotheismusunterstellt, dass Fortschritt in der Kultur mit der Überwindung matriarchaler oder polymorpher Naturelemente einhergeht zugunsten eines strengen, abstrakten (männlichen) Prinzips.

Carl Gustav Jung, Freuds berühmter Abtrünniger, schlug einen ganz anderen Weg ein: Er sah in Religion eine positive Ausdrucksform archetypischer Psyche. In Jungs Archetypenlehre sind Anima (weiblicher Seelenanteil im Mann) und Animus (männlicher Anteil in der Frau) wichtige Konzepte – sie implizieren, dass jeder Mensch androgyn veranlagt ist und das Andere in sich trägt. Jung kritisierte Freuds Fixierung auf den Phallus; er war der Ansicht, die Psyche habe eine teleologische, spirituelle Dimension, die über reine Triebdynamik hinausgeht. Besonders interessiert war Jung an der weiblichen Seite des Göttlichen: In „Antwort auf Hiob“ (1952) argumentierte er, das christliche Gottesbild sei unvollständig ohne das Weibliche. Er begrüßte die dogmatische Aufnahme Marias in den Himmel (Mariä Himmelfahrt 1950 durch Papst Pius XII.) als unbewussten Ausdruck dafür, dass die Gottheit um ein Weibliches Prinzip erweitertwerden müsse. Jung interpretierte Maria als Quaternität zu der männlichen Trinität, um eine ganzheitliche (also männlich-weibliche) Ganzheit Gottes zu erreichen. Damit antizipierte er Gedanken, die später von feministischen Theologinnen aufgenommen wurden: Nämlich dass das Ausschließen des Weiblichen aus dem Gottesbild fatale Auswirkungen auf das Selbstbild von Frauen hat. Wenn Gott nur als Mann vorgestellt wird, so die Feministinnen Mary Daly oder Rosemary R. Ruether, dann werden Männer als „gottähnlicher“ angesehen und Frauen als minderwertig. Daly prägte den Satz: „Wenn Gott männlich ist, ist das Männliche Gott“, um auf diesen Mechanismus hinzuweisen. Sie und andere forderten eine feministische Theologie, welche die weibliche Erfahrung und Symbolik rehabilitiert. Hier berühren sich Psychoanalyse und Theologie: Die Frage, wie sich unser Unbewusstes durch Gottesbilder prägt. Aus psychoanalytischer Sicht internalisieren Kinder gewisse unbewusste Bilder – die strenge Vaterfigur, die aufopfernde Mutter etc. – und religiöse Narrative können diese Bilder verstärken oder transformieren.

In den 1970er und 80er Jahren begannen einige Denkerinnen, psychoanalytisches und religiöses Denken zusammenzuführen. Beispielsweise untersuchte die Theologin Naomi Goldenberg („Changing of the Gods“, 1979) wie die Archetypenlehre Jungs feministisch nutzbar ist, um neue Göttinnenbilder zu entwickeln. Luce Irigaray selbst schlug in „An Ethics of Sexual Difference“ (1984) vor, weibliche genealogische Linien in der Religion zu suchen oder neu zu schaffen – etwa ein Kult um die Jungfrau Maria, aber nicht als unterwürfige Magd, sondern als eigenständige Göttin, um Frauen einen Spiegel des Erhabenen zu geben​. In „Divine Women“ (1986) schreibt Irigaray, die Aufgabe aller Menschen sei es, göttlich zu werden, aber Frauen könnten dies nur, wenn sie sich ein Weibliches Göttliches aneignen​. Diese Vorschläge stoßen in der traditionellen Theologie zwar auf Widerstand, zeigen aber ein fruchtbares Feld auf: Mystik und Geschlecht. Tatsächlich waren im Mittelalter viele mystische Erfahrungen von Frauen (Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg, Teresa von Ávila) – sie beschrieben ihre Vereinigung mit Gott oft in erotischer Sprache, als Hochzeit oder körperliche Verschmelzung. Psychoanalytiker wie Lacan und Kristeva deuteten das als möglichen Ausdruck jener anderen Jouissance, die weiblich konnotiert ist. Kristeva schrieb über die mittelalterliche Heilige Teresa: „Sie ist das Zeichen des Weiblichen, das sich in der Kultur manifestiert“ – im Sinne einer überquellenden Liebe, die die Grenzen des symbolischen Gesetzes sprengt (ähnlich wie Lacan es sah). Daraus entstand in den 1990ern das Interesse an einer „weiblichen Mystik“ und wie sie psychologisch zu verstehen ist. Könnte es sein, dass Frauen – kulturell an den Rand gedrängt – die Religion als Ventil nutzten, um verbotene Lust und Macht auszudrücken? Etwa Teresa, die in ihren Visionen Orgasmus-ähnliche Zustände mit dem durchbohrenden Engel erlebte, was sie nur im spirituellen Rahmen ausleben durfte.

Zeitgenössische psychoanalytische Autorinnen wie Julia Kristeva griffen auch biblische Motive auf. In „Thron ist ein Gott geboren“ (1996) diskutiert Kristeva die Figur der Maria als Symbol der Mutterliebe und des Leidens. Sie sieht die Verehrung der Madonna mit dem toten Christus (Pietà) als kulturelle Inszenierung der mütterlichen Trauer und gleichzeitig als Substitut für heidnische Muttergöttinnen, die im Christentum keinen Platz mehr hatten. So analysiert Kristeva Religion einerseits kritisch (als möglicherweise neurotische Fixierung aufs Reine, Abspaltung des mütterlich Körperlichen), andererseits erkennt sie darin eine kollektive Bewältigungsstrategie für tiefe psychische Konflikte. Ihr Konzept der Abjektion (dem Ausstoßen des unerträglich Nahen) kann erklären, warum viele Religionen Reinheitsgebote gerade in Bezug auf weibliche Körpervorgänge kennen (Menstruation, Geburt) – die Kultur will sich vom chaotischen Ursprung abgrenzen.

Die Verbindung von Psychoanalyse und Religion erweist sich damit als spannend gerade für das Geschlechterthema: Die monotheistischen Religionen weisen eine lange Geschichte der Patriarchalisierung auf (männliche Priester, männlicher Gottvater, Ausschluss von Frauen aus heiligen Ämtern), was aus psychoanalytischer Sicht die Vaterherrschaftauf himmlische Ebene projiziert. Feministische Theologinnen und psychoanalytisch geschulte Kulturwissenschaftlerinnen arbeiten daran, diese einseitigen Bilder aufzubrechen. Sie fragen: Welche Wirkung hat es auf die Psyche von Frauen (und Männern), wenn das Göttliche nur männlich imaginiert wird? Kann die Integration weiblicher Symbole – z.B. Gott als Mutter oder heiliger Geist als weibliche Sophia – heilend wirken, indem sie das Unbewusste aus dem engen Korsett löst?

Manche würden vielleicht in modernen Konzepte wie Storcks allgemeine Beschneidungsthese einen Brückenschlag sehen: Wenn alle Menschen die Erfahrung der Begrenztheit teilen (also symbolisch „beschnitten“ sind), dann könne Religion als kulturelles Mittel gesehen werden, diese Begrenztheit anzuerkennen und zu transzendieren. In der jüdischen Theologie etwa wird gesagt, die Beschneidung des Knaben am achten Tag sei das Zeichen des Bundes mit Gott – ein Zeichen dafür, dass der Mensch unvollkommen ist und der göttlichen Ordnung bedarf​. Übertragen auf beide Geschlechter hieße das: Die Erkenntnis „Ich bin nicht allmächtig, ich habe nicht alles“ ist die Voraussetzung, um sich zu öffnen – für Mitmenschlichkeit wie für Spiritualität. Jung hatte ähnlich argumentiert, als er sagte, das Ziel der Individuation (Reifung der Persönlichkeit) sei die „Zusammenschau der Gegensätze“, also auch der Geschlechteranteile in einem Selbst, was oft in religiösen Bildern (Mandala, syzygische Gottheiten) symbolisiert wird. In gewisser Weise plädieren heutige Denker dafür, die Risse und Wunden (Kastration/Beschneidung) nicht zu verleugnen, sondern in Sinn zu verwandeln – eine sehr psychoanalytische Idee, die im religiösen Kontext eine neue Sprache finden kann.

Kritische Synthese und Ausblick: Jenseits des Phallozentrismus?

Die Entwicklung der psychoanalytischen Auffassungen von Weiblichkeit und weiblicher Sexualität zeigt einen Bogen von freudscher Einseitigkeit hin zu zunehmender Differenzierung und Reflexivität. Freud legte Grundlagen, die in ihrer Zeit revolutionär waren, zugleich aber problematische Prämissen enthielten (etwa die Annahme einer „männlichen Norm“). Feministische Psychoanalytikerinnen und Theoretiker haben diese Grundlagen einer nachhaltigen Kritik unterzogen und für die Komplexität von Geschlecht geöffnet. Heute stehen wir an einem Punkt, wo die klassischen dichotomen Vorstellungen – aktiv/passiv, phallisch/kastriert, männlich/weiblich – konzeptionell überwunden werden können. Doch die Frage ist: Wie sieht eine nicht-phallozentrische Psychoanalyse konkret aus?

Ein wichtiger Schritt ist bereits getan, indem queere und intersektionale Perspektiven eingebracht wurden. Die traditionellen psychoanalytischen Theorien gingen stillschweigend von einer weißen, heterosexuellen, binären Geschlechterordnung aus (Freuds „bürgerliche“ Patientinnen, Lacans heterosexuelles Begehren als Norm). Die Realität ist aber vielfältiger. Queer Theory – z.B. Judith Butlers Arbeiten – hat aufgezeigt, dass Geschlecht performativ hergestellt wird und dass die strikte Zweiteilung Mann/Frau viele Menschen ausschließt (etwa nicht-binäre und trans* Personen). Butler setzte sich kritisch mit Freud und Lacan auseinander: Sie interpretierte Freuds Konzept der Melancholie so, dass die Geschlechtsidentität ein Resultat von Trauerarbeit um verdrängte gleichgeschlechtliche Liebe sei – d.h. der Junge wird „männlich“, indem er die Liebe zum Vater verdrängt, das Mädchen wird „weiblich“, indem es die Liebe zur Mutter aufgibt​. Gender ist demnach ein melancholisches Gerüst, das sich immer wieder in Handlungen (Performances) stabilisieren muss. Butler kritisierte insbesondere Lacans Postulat eines einzigen Signifikanten (Phallus) als heteronormativ – es lasse keine legitime Position außerhalb des Mann-Frau-Schemas zu und ignoriere z.B. lesbische oder trans Identitäten. Sie fordert, dass die Psychoanalyse fluide Identitäten und die Möglichkeit der Veränderung anerkennt. In der Praxis hat es inzwischen auch innerhalb der Psychoanalyse ein Umdenken gegeben: Es gibt queer-affirmative Psychoanalytiker, die mit Patienten arbeiten, deren Erfahrungen (Transitionsprozesse, nichtbinäre Selbsteinschätzung, Homosexualität) nicht mehr als Abweichung oder Entwicklungsstörung gesehen werden, sondern als variierende Realitäten des Geschlechts. Dies erfordert, die alten Theorien flexibel auszulegen: Z.B. wird vorgeschlagen, das Konzept des Ödipuskomplexes weniger wörtlich-genital zu interpretieren, sondern allgemeiner als Struktur triangulärer Beziehungen (ein Dritter ordnet die duale Symbiose von Bezugsperson und Kind). Dann muss „Vater“ nicht zwingend ein Mann sein – es kann jede dritte Instanz sein, die die dyadische Bindung durchbricht (sei es eine zweite Mutter in Regenbogenfamilien, ein Großelternteil oder die soziale Umwelt insgesamt).

Intersektionaler Feminismus hat derweil klargemacht, dass Weiblichkeit nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern immer verflochten ist mit Ethnizität, Klasse, Sexualität, Gesundheit usw. Eine schwarze bzw. Schwarze Frau im 19. Jahrhundert erlebte ihre Weiblichkeit anders als eine weiße Wiener Bürgerstochter, und eine lesbische Frau in der Gegenwart wiederum anders. Psychoanalytische Konzepte müssen also kultursensibel erweitert werden. Tatsächlich begann das schon mit der Objektbeziehungstheorie (etwa durch Erik Eriksons Studien zu verschiedenen Kulturen) und setzt sich fort, wenn z.B. postkoloniale Psychoanalytikerinnen (wie Gayatri Chakravorty Spivak oder braune feministische Therapeutinnen) die eurozentrischen Annahmen herausarbeiten. So wurde Freuds „dunkler Kontinent“-Äußerung auch als Anklang an koloniale Rhetorik kritisiert​ – man achte auf implizite Vergleiche zwischen rassistischer Andere-Machung und der Verotherung der Frau. Künftige Theorien werden diese blinden Flecken hoffentlich weiter aufdecken und eliminieren.

Was könnte eine nicht-phallozentrische Psychoanalyse beinhalten? Wahrscheinlich eine Theorie, die keinen Pol (weder männlich noch weiblich) als Norm setzt, sondern von einem Spektrum oder einem Feld verschiedener Positionen ausgeht. Einige neuere Ansätze schlagen tatsächlich neue Metaphern vor: Die israelische Psychoanalytikerin Bracha L. Ettinger etwa entwickelte das Konzept des „Matrixialen“ – ein Beziehungsraum, der auf der Erfahrung der Schwangerschaft (Matrix = Gebärmutter) basiert. Darin wird das Subjekt nicht durch Trennung und Mangel konstituiert (wie bei der Kastrationslogik), sondern durch Verbindung und Co-Existenz. Ettinger beschreibt eine matrixiale Grenzraum-Sphäre, in der Subjekte Anteile teilen und miteinander in primärer Verbundenheit stehen, ähnlich der pränatalen Mutter-Kind-Einheit. Dieser Ansatz ist noch spekulativ und nicht allgemein anerkannt, bietet aber eine imaginative Alternative zum Phallus als einzigem Strukturprinzip. Eine nicht-phallozentrische Psychoanalyse würde auch Männlichkeit neu betrachten – denn Phallozentrismus schadet letztlich beiden Geschlechtern. Sie könnte fragen: Wie lässt sich männliche Identität definieren, ohne auf Dominanz oder Abwertung des Weiblichen angewiesen zu sein? Dies führt zur Einbeziehung von Männerforschung: Analytiker wie Donald Moss oder Klaus Theweleit haben z.B. die Verletzlichkeit der männlichen Psyche untersucht, die hinter Macho- und Gewaltphantasien steckt. Eine aufgeklärte Psychoanalyse könnte Männer ermutigen, die „Beschneidung“ ihrer Allmachtsfantasien (um Storcks Bild zu gebrauchen) zu akzeptieren, ohne in Absturzängste zu geraten – was wiederum der Beziehung zwischen den Geschlechtern zugutekäme.

Auch die Therapiepraxis verändert sich: Moderne Psychoanalytiker achten mehr auf die konkrete Intersubjektivität in der Behandlung. Die klassische Ein-Personen-Perspektive (Analytiker als neutraler Experte, Patient als „Unwissender“) weicht einer zwei-Personen-Psychologie, wo Übertragungs-Gegenübertragungsdynamiken gemeinsam ausgehandelt werden. Dabei kommt zwangsläufig auch das Geschlecht beider ins Spiel – es wird reflektiert, wie z.B. eine männliche Analytikerin von einer weiblichen Patientin unbewusst in Vater- oder Partnerrollen gedrängt wird oder umgekehrt. Diese Bewusstmachung der Genderdynamik im Hier-und-Jetzt hilft, starre Rollen zu durchbrechen und neue Beziehungsmuster zu erproben. Eine Therapie, die nicht phallozentrisch ist, würde also Raum geben für Vielfalt: Der Mann darf schwach sein, die Frau darf aggressiv sein, ohne dass es sofort pathologisiert wird; und alternative Familien- oder Liebesmodelle werden mit der gleichen Neugier untersucht wie traditionelle.

In die Zukunft blickend, besteht eine der größten Herausforderungen darin, die reichhaltigen theoretischen Einsichten (aus über 100 Jahren Psychoanalyse und Feminismuskritik) mit den schnellen gesellschaftlichen Wandlungen in Einklang zu bringen. Unsere Zeit sieht eine Auflösung klassischer Geschlechterrollen wie nie zuvor – von breiter Akzeptanz homosexueller Partnerschaften über gesetzliche Anerkennung dritter Geschlechtsoptionen bis zur Popkultur, die mit Gender-Fluidity spielt. Die Psychoanalyse kann hier sowohl kritisch begleiten (z.B. darauf hinweisen, dass manche „neuen Freiheiten“ auch neue Unfreiheiten bergen, etwa der Zwang, sich selbst permanent zu optimieren und zu definieren) als auch heilend unterstützen (etwa indem sie Menschen hilft, ihre einzigartige Geschlechtergeschichte zu verstehen, mit ihren Verletzungen und Ressourcen). Aus dem Dialog mit der Religion könnte sie lernen, dass es Archetypen und Symbole braucht, die Sinn und Halt geben, ohne repressiv zu sein. Vielleicht entwickeln künftige Psychoanalytiker*innen so etwas wie eine „Mythologie der Gleichwürdigkeit“ – Bilder und Geschichten, in denen Weibliches und Männliches, ja generell Unterschiede, nicht Hierarchie bedeuten, sondern als komplementäre oder kreative Gegensätze dargestellt werden. Erste Schritte dahin sind zu sehen, etwa in der Beliebtheit neopaganer oder esoterischer Konzepte, die Göttin und Gott vereinen, oder in künstlerischen Darstellungen von Androgynität als Ideal (man denke an manche Sci-Fi oder Fantasy-Werke).

Damit lässt sich abschließend konstituieren: „Die“ Psychoanalyse hat einen weiten Weg zurückgelegt vom „dunklen Kontinent“ zum Versuch, das Dunkel auszuleuchten – nicht, um es restlos zu erhellen (denn etwas Rätsel muss bleiben), sondern um die Angst vor dem Dunklen zu nehmen. Weibliche Sexualität ist kein unfassbares Mysterium mehr, sondern ein Thema, das wissenschaftlich, künstlerisch und politisch verhandelt wird. Doch die gewonnenen Erkenntnisse – etwa über die zentrale Rolle früher Mutterbindung, die soziale Konstruktion von Geschlecht, die Bedeutung von Sprache und Macht – sind nicht nur retrospektiv interessant, sondern höchst relevant für aktuelle Geschlechterdebatten. In Zeiten, in denen über Gendergerechtigkeit, LGBTQ+-Rechte und Rollenbilder intensiv diskutiert wird, kann die Psychoanalyse einen tiefenpsychologischen Unterbau liefern: Sie erinnert daran, dass hinter rationalen Argumenten unbewusste Ängste und Wünsche stehen. Beispielsweise lassen sich die heftigen Abwehrreaktionen mancher Menschen gegen neue Geschlechterpolitiken (Stichwort „Anti-Gender-Bewegung“) als Ausdruck von Kastrationsängsten deuten – die Furcht vor dem Verlust gewohnter Identitätsanker. Psychoanalytisches Wissen kann helfen, solche Ängste zu verstehen und vielleicht zu entschärfen, indem man Alternativen anbietet, wie Identität und Unterschied gedacht werden können, ohne in Bedrohungsszenarien zu verfallen.

Die kritische Synthese unserer Betrachtung wäre also: Weiblichkeit in der Psychoanalyse hat sich vom Objekt männlicher Theorien zum Subjekt eigener Theorien entwickelt. Anfangs sprach fast nur über Frauen (Freud und Kollegen); später sprachen Frauen zurück (Horney, Klein); schließlich wurden Weiblichkeit und Männlichkeit zu gemeinsamen Reflexionsgegenständen in einem Diskurs, der Erkenntnisse aus Psychoanalyse, Feminismus, Linguistik, Kulturanthropologie und Theologie vereint. Dadurch haben sich die ursprünglichen Kategorien verschoben: Aus Penisneid wurde vielleicht „Beziehungsneid“ (Neid auf privilegierte Positionen in der Gesellschaft); aus Kastrationsangst wurde die allgemein menschliche Angst vor Ohnmacht und Verlust; aus dem Ödipuskomplex wurde ein vielseitiges Modell familialer und sozialer Anerkennungsprozesse. Nichts davon ist endgültig „gelöst“, aber es ist reichhaltiger geworden.

Der Ausblick in die Zukunft ist hoffnungsvoll: Wenn die Psychoanalyse weiterhin offen bleibt für kulturkritische Korrekturen und mutig genug ist, ihre eigenen Grundannahmen zu hinterfragen, kann sie ein einzigartiges Verständnis der Geschlechter jenseits einfacher Dichotomien bieten. Eine nicht-phallozentrische Psychoanalyse würde das Weibliche und das Männliche gleichermaßen als schöpferische Pole des Psyche begreifen – beide notwendig, beide unvollständig ohne den anderen, und doch keine simplen Komplementärhälften eines Ganzen, sondern jeweils in sich vielfältig. Sie würde anerkennen, dass Geschlecht immer auch individuell ist: Es gibt so viele Weiblichkeiten wie Frauen und so viele Männlichkeiten wie Männer (und noch viel mehr, wenn wir alle dazwischen mitdenken). Die Aufgabe der Theorie wäre nicht mehr, „die Frau“ oder „den Mann“ zu erklären, sondern jedem Menschen zu helfen, sein eigenes Verhältnis zu den Männlichkeits- und Weiblichkeitselementen in sich zu verstehen. Dieser Paradigmenwechsel deutet sich bereits an – und er führt zu einem inklusiveren, humaneren Verständnis von Sexualität, das Freud wohl überraschen würde, das aber im Grunde den freudschen Geist weiterführt: nämlich dem Unbewussten eine Stimme zu geben, auch wenn diese Stimme bisher unterdrückt oder vernachlässigt wurde.

Zum Schluss lässt sich feststellen: Von Freuds Fragen „Was will das Weib?“ und „Wie kommt Weiblichkeit zustande?“​ haben wir einen langen Weg zurückgelegt. Wir wissen heute, dass die Antworten nicht in simplen Formeln liegen, sondern in der Geschichte jedes Individuums, eingebettet in kulturelle Skripte. Die Psychoanalyse hat uns gelehrt, hinter Klischees zu schauen und die verborgenen Dramen der Entwicklung aufzudecken. Indem wir phallozentrische Sichtweisen überwinden, ehren wir letztlich Freuds ursprünglichen Mut zum Unbekannten: Wir akzeptieren, dass der Kontinent vielleicht nie vollständig kartografiert wird, aber wir haben gelernt, uns im Halbdunkel zu orientieren – mit Verständnis, Empathie und der Offenheit, alte Landkarten zu korrigieren, wenn neue Erfahrungen es erfordern.

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(Solltest du auf dem PDF genaue Angaben finden – z.B. „Osserman, M. (2018). Titel der Dissertation [Doctoral Dissertation, University College London].“ – füge diese Daten bitte ergänzend ein.)

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  • Žižek, S. (1994). The Metastases of Enjoyment: Six Essays on Woman and Causality. London: Verso.
  • Weitere Quellen aus dem Text: Stanford Encyclopedia of Philosophy Eintrag „Psychoanalytic Feminism“​; Melanie Klein Trust – Glossar zum Ödipuskomplex​