Entwicklungsdynamiken männlicher Identität im Zeichen des bedrohten Phallus

„Was Männer begehren, macht sie verletzlich; was sie verletzlich macht, wird gehasst.“ Diese prägnante These, die in den Arbeiten von Pohl (2004) zur Entwicklung männlichen Identität eine zentrale Rolle spielt, bietet eine psychodynamische Linse, durch die sich die allgegenwärtigen Phänomene männlicher Identitätskonstruktion im digitalen Zeitalter betrachten lassen. Denn kaum ein Wisch über den Smartphone-Bildschirm oder ein Blick in die Medienlandschaft, und schon präsentieren sich jungen Männern hunderttausendfach bebilderte Rezepte dafür, was ‚echte‘ Männlichkeit angeblich ausmacht: Muskeln, Macht, Geld – und die bedingungslose Verfügbarkeit weiblicher Körper. Influencer und Online-Gurus versprechen den Weg zurück zu einer vermeintlich natürlichen männlichen Vorherrschaft und verbreiten dabei einen aggressiven Antifeminismus, der längst gesellschaftliche Spuren hinterlässt (Hark & Villa, 2015). Im Internet propagieren Gruppen wie selbsternannte „Alpha Males“, Incels (Involuntary Celibates) und Pick-Up-Artists (PUAs) ein primitives, hegemonial gefärbtes Männlichkeitsbild, gekennzeichnet durch extreme Frauenfeindlichkeit, postulierte männliche Überlegenheit und die Abwertung von Empathie als ‚weiblich‘ (Kracher, 2021). Die im Eingangszitat angedeutete Abwehrdynamik scheint hier in voller Blüte zu stehen: Frauen und Feminismus werden pauschal für persönliche und gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht, eine Rhetorik vom „Krieg der Geschlechter“ rechtfertigt teils offen Gewalt. Dass dieses Gedankengut nicht folgenlos bleibt, belegen extremistische Gewalttaten weltweit, motiviert durch Incel-Ideologien und verwandten maskulinistischen Extremismus (Kimmel, 2013; Speit, 2020)
Diese Entwicklungen fordern eine kritische Re-Evaluation des Konzepts „Männlichkeit“ und seiner psychischen wie soziokulturellen Entwicklungsbedingungen. Parallel zu diesen radikalisierten Maskulinismen vollzieht sich in westlichen Gesellschaften ein gradueller, aber signifikanter Wandel hin zu pluralisierten Männlichkeitsentwürfen. Väter nehmen Elternzeit, Männer engagieren sich vermehrt in Sorgeberufen, und in Popkultur wie Politik treten öffentlichkeitswirksam Vertreter einer „Caring Masculinity“ (Elliott, 2016) in Erscheinung. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen konträren Tendenzen bildet den Schauplatz der gegenwärtigen „Krise der Männlichkeit“ (Kimmel, 2013). Die Frage nach dem Verständnis und der sozialen Vermittlung von Männlichkeit ist somit von hoher politischer und wissenschaftlicher Relevanz.
Im vorliegenden Essay unternehmen wir deshalb eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung der Entwicklung von Männlichkeit. Ausgangspunkt (Kapitel I) ist eine empirische und diskursanalytische Bestandsaufnahme jener modernen misogynen Männerbünde im digitalen Raum. Darauf aufbauend wendet sich die Analyse den psychoanalytischen Theorien der Geschlechtsidentität zu (Kapitel II und III). Von Sigmund Freuds Klassiker der Ödipus-Theorie und der phallischen Phase, über Melanie Klein und Jacques Lacan, bis hin zu feministischen Weiterentwicklungen durch Nancy Chodorow und Jessica Benjamin sowie aktuellen Konzepten wie dem bi-genderalen Selbst bei Michael J. Diamond werden die psychoanalytischen Dynamiken der männlichen Identitätsbildung herausgearbeitet. In Kapitel IV folgt der soziologisch-geschlechtertheoretische Schwenk: Es werden das Konzept der hegemonialen Männlichkeit (Raewyn Connell) und alternative Vorstellungen pluraler Männlichkeiten (u. a. Michael Kimmel) gegenübergestellt – also die Frage, ob und wie es vielfältige Weisen gibt, „Mann zu sein“, jenseits des dominanten Ideals. Kapitel V beleuchtet, wie die zuvor analysierten Männlichkeitsbilder in der digitalen Kultur reproduziert und radikalisiert werden. Untersucht werden die Rolle von Online-Radikalisierung, Memetik („Meme-Ökonomie“) und rechtsextremen Narrativen – mit besonderem Augenmerk auf den deutschsprachigen Raum. Anschließend widmet sich Kapitel VI der aktuellen Herausforderung, trans- und nicht-binäre Perspektiven in die psychoanalytische Theorie zu integrieren. Die traditionelle binäre Auffassung von Geschlecht gerät durch reale Lebensentwürfe und Identitäten jenseits der Zweigeschlechtlichkeit ins Wanken – wie reagieren psychoanalytische Ansätze darauf? Den Abschluss (Kapitel VII) bildet eine Synthese der gewonnenen Erkenntnisse und ein Ausblick auf ein neues Verständnis von Männlichkeit. Skizziert wird eine reife, affektive und fürsorgeorientierte Männlichkeit, die Gewalt und Dominanz überwindet und stattdessen auf Empathie, Gleichberechtigung und persönlicher Reife basiert. Bevor wir dahin kommen, aber zuerst in das Rabbit Hole.
1 Digitale Subkulturen und die Inszenierung primitiver Männlichkeit
Die digitale Medienlandschaft des 21. Jahrhunderts hat sich als fruchtbarer Nährboden für die Entstehung und rasante Verbreitung neuartiger, männerzentrierter Subkulturen erwiesen. In diesen Online-Räumen artikuliert sich häufig ein besonders aggressives und frauenfeindliches Verständnis von Männlichkeit, das patriarchale und sexistische Narrative nicht nur reproduziert, sondern bisweilen ins Extrem übersteigert (Kracher, 2021). Obwohl jede dieser Gruppierungen – von selbsternannten „Alpha Males“ über „Incels“ bis hin zu „Pick-Up-Artists“ (PUAs) – im Detail ein eigenes Selbstverständnis pflegt, eint sie ein regressives, hegemoniales Männlichkeitsideal. Dieses Ideal gründet auf der Fantasie männlicher Dominanz und weiblicher Unterwerfung und propagiert eine Welt, in der Frauen primär als Objekte männlicher Bedürfnisbefriedigung oder als Sündenböcke für männliche Frustrationen fungieren (Banet-Weiser & Bratich, 2019). Im Kern dieser Ideologien steht die Vorstellung einer vermeintlichen „Krise der Männlichkeit“, die nur durch eine Rückkehr zu extremen Formen von Überlegenheit, Härte und körperlicher Potenz zu bewältigen sei (Kimmel, 2013).
1.1 Alpha-Male-Gurus: Die Wiederbelebung der „natürlichen Vorherrschaft“
Eine besonders sichtbare und einflussreiche Strömung bilden die sogenannten „Alpha Male“-Gurus, die über Plattformen wie YouTube, TikTok oder Streaming-Podcasts Ratschläge zur Selbstoptimierung verbreiten. Diese Influencer postulieren, die moderne Gesellschaft habe Männer ihrer „natürlichen Vorherrschaft“ beraubt und propagieren die Wiederentdeckung einer „echten“ Männlichkeit als Weg zu Erfolg, sexueller Verfügbarkeit von Frauen und allgemeiner sozialer Dominanz (Hark & Villa, 2015). Im Gewand motivierender Coaches für Fitness, Unternehmertum oder Lifestyle verschmelzen ihre Inhalte rasch mit biologistischen Erklärungen, die sich auf vermeintliche evolutionäre Gesetzmäßigkeiten berufen – von der Metapher des „Alpha-Wolfs“ bis hin zu angeblich naturgegebenen Geschlechterhierarchien und männlicher Aggression (Anderson, 2010). So erlangte beispielsweise Andrew Tate, ein ehemaliger Kickboxer, globale Bekanntheit durch polarisierende TikTok-Clips, in denen er behauptet, Frauen seien „nicht loyal“ und hätten weniger Wert als leistungsstarke Männer; eine seiner Kernaussagen lautet: „Women are property and men are the protectors of that property“ (zitiert in BBC News, 2022). Ähnlich agiert der Podcast Fresh & Fit (Myron Gaines und Walter Weekes), der dafür bekannt ist, Frauen vor laufender Kamera verbal herabzusetzen, wobei Gaines (2023) in seinem Buch Why Women Deserve Less Männer dazu auffordert, Frauen nicht mehr zu „hofieren“. Auch im deutschsprachigen Raum bietet der Rapper Kollegah ein „Alpha Mentoring“-Programm an, das eine „männliche Transformation“ verspricht, dabei jedoch Frauen pauschal abwertet und patriarchale Rollenbilder reproduziert, wie seine Aussage „Was haben die [Frauen] zu bieten, wenn nicht ihr Körper? Wir sind die, die ackern“ (Spiegel Online, 2019; vgl. Kollegah, 2020) illustriert.
Hinter der glänzenden Fassade des Personal-Brandings dieser Akteure verbirgt sich häufig ein rigides Frauenbild: Frauen erscheinen als Trophäen oder Statusobjekte, schlimmstenfalls als störende Konkurrenz, die es zu entwerten und zu kontrollieren gilt (Pohl, 2004). Weiblichkeit wird als Gefahr konstruiert – assoziiert mit emotionaler Abhängigkeit und ressourcenzehrendem Verhalten (Banet-Weiser & Bratich, 2019). Solche reduktiven Narrative befeuern die Vorstellung, ein Mann müsse sich durch unnachgiebige Härte und permanentes Konkurrenzdenken beweisen, während Werte wie Gleichberechtigung oder Empathie als Zeichen von Schwäche („Beta“ oder „Weichling“) diskreditiert werden. Zentral ist dabei der Rückgriff auf biologistische Argumente („männliche Urtendenzen“, „Testosteron“), die sexistische Machtausübung naturalisieren und als unveränderlich darstellen sollen (Hark & Villa, 2015). Für junge Männer, die sich unsicher oder orientierungslos fühlen, mag diese Rhetorik der Stärke verlockend erscheinen. Aus psychoanalytischer Sicht lässt sich diese „Alpha-Härte“ jedoch als Abwehrhaltung gegen unbewusst als bedrohlich erlebte weibliche Anteile und als Kompensation tiefer Ängste vor Abhängigkeit und Vulnerabilität interpretieren (Pohl, 2004). Die pauschale Herabwürdigung von Frauen dient hier der Abspaltung eigener Abhängigkeitsgefühle.
1.2 Incels: Von internalisiertem Selbsthass zu externalisierter Misogynie
Ebenso deutlich tritt die Frauenfeindlichkeit in der Subkultur der Incels (Involuntary Celibates) zutage – Männer, die unfreiwillig sexuell enthaltsam leben. Ihr Weltbild gründet auf einer drastischen Dichotomisierung zwischen sogenannten „Chads“ (attraktive, sexuell erfolgreiche Männer) und den Incels, die sich als Opfer einer von Frauen gesteuerten, oberflächlichen „Sexualökonomie“ betrachten (Kracher, 2021). In den entsprechenden Online-Foren, Kanälen und Discord-Servern dominieren Misstrauen, Hass und Verbitterung; Frauen werden als hypergam, hinterhältig und gewissenlos dargestellt. Dieser internalisierte Selbsthass schlägt häufig in offenen Frauenhass und Gewaltfantasien um. Die reale Gefahr dieser Ideologie illustrieren extremistische Gewalttaten: Der Amokläufer Elliot Rodger, der 2014 in Isla Vista sechs Menschen ermordete, hinterließ ein Manifest voller Frauenhass und Rachefantasien, weil ihm die erhoffte „Liebe“ durch „heiße Blondinen“ verwehrt geblieben sei, und wurde später in Incel-Foren zur Kultfigur stilisiert (Kimmel, 2013). Ebenso proklamierte Alek Minassian vor seiner Amokfahrt 2018 in Toronto, bei der zehn Menschen, primär Frauen, starben: „The incel rebellion has already begun! We will overthrow all the Chads and Stacys!“ (Kracher, 2021, S. 132) – „Stacys“ als Chiffre für begehrenswerte Frauen, die Incels angeblich ausgrenzen.
Neben solchen Tätern existieren charismatische Incel-Influencer und Forenbetreiber, die Thesen verbreiten wie: „Frauen sind biologisch nur auf 10% der Männer scharf. Der Rest von uns ist abgeschrieben“ (z. B. im Forum „incels.co“). Diese Behauptungen werden mit pseudowissenschaftlichen Grafiken (z. B. die „80-20 Rule“) oder verzerrten Evolutionsmodellen untermauert. Ein anonymer Poster namens „SergeantIncel“ brachte die Logik auf den Punkt: „Die Hypergamie der Frau tötet uns. Wir sind wertlos. Ihr Körper gehört uns, aber sie verweigern es“ (zitiert in Kracher, 2021, S. 87). Eine solche Denkweise, die von Selbsthass in offene Gewalt- oder Vergewaltigungsfantasien kippt, hat dazu geführt, dass die Incel-Ideologie mittlerweile als extremistische Bedrohung im Bereich des „Male Supremacist Extremism“ eingestuft wird (Speit, 2020). Psychodynamisch lässt sich der Incel-Hass als Umkehrung eigener Minderwertigkeits- und Ohnmachtsgefühle interpretieren (Pohl, 2004). Der Neid auf die „Chads“ und die Projektion von Scham und Wut auf Frauen als vermeintliche Verursacherinnen der eigenen Ausgrenzung dominieren. In Freud’schen Begriffen könnte der verwehrte Zugang zur Frau Kastrationsängste und narzisstische Kränkungen reaktivieren, die in eine paranoide Weltsicht und die Imagination einer „großen Verschwörung der Frauen“ münden.
1.3 Pick-Up-Artists: Verführung als manipulative Machtdemonstration
Eine dritte Strömung, die seit den 2000er-Jahren durch Bestseller wie The Game (Strauss, 2005) an Popularität gewann, ist die globale Szene der Pick-Up-Artists (PUAs). Ihr Kernversprechen lautet, Männer könnten durch spezifische Gesprächs- und Manipulationstechniken ihren sexuellen Erfolg bei Frauen quasi beliebig steigern (Lewandowski, 2020). Die PUA-Kultur vermischt Selbsthilfe-Rhetorik mit pseudowissenschaftlichen Ansätzen, etwa aus dem Neurolinguistischen Programmieren. Was oberflächlich als überzogenes „Flirt-Coaching“ erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als zutiefst frauenfeindlich: Frauen werden nicht als Subjekte mit eigenen Bedürfnissen, sondern als „Targets“ konzipiert, deren Widerstände es strategisch zu überwinden gilt (Banet-Weiser & Bratich, 2019). So empfiehlt Rollo Tomassi, Autor von The Rational Male, in Kombination von Red-Pill-Denken und PUA-Techniken, Frauen mittels Begriffen wie „Female Imperative“ oder „Hypergamie“ als manipulativ und rein statusorientiert darzustellen und gibt Ratschläge zur „Kontrolle“ dieses vermeintlichen weiblichen Mangels an echter Liebe (Tomassi, 2017). Der PUA-Guru Erik von Markovik, bekannt als „Mystery“, lehrt Methoden wie das „Negging“ – gezielte kleine Beleidigungen („Deine Haare sehen interessant aus, ist das heute Absicht oder Zufall?“), um das Selbstwertgefühl einer Frau zu untergraben und ihre Aufmerksamkeit zu erzwingen (Banet-Weiser & Bratich, 2019). Im deutschsprachigen Raum demonstrieren Coaches wie DonJon oder Estefano d’Elano in Seminaren und Videos physische Taktiken, um Frauen zu „stoppen“ und zu Gesprächen zu zwingen; DonJon (2021) zeigt beispielsweise, wie er einer Frau den Weg versperrt und ihre Hand festhält, um die „Situation zu eskalieren“.
Viele PUA-Ratgeber propagieren, die sogenannte „Last-Minute-Resistance“ der Frau – ein Zögern vor dem Geschlechtsverkehr – durch aggressives oder emotional manipulatives Verhalten zu durchbrechen, oft untermauert mit biologistischen Erklärungen, Frauen seien „unterbewusst“ auf dominante Männer programmiert. Seminare bekannter PUAs beinhalten teils Ratschläge zu körperlichen Grenzverletzungen, euphemistisch als „kühne Körpersprache“ oder „Führungskompetenz“ deklariert. Obwohl PUA-Kanäle oft als harmlose Dating-Coach-Angebote daherkommen, entmenschlichen sie Frauen zu Objekten gamifizierter Anmachversuche und perpetuieren die Vorstellung, dominantes männliches Verhalten sei der Universalschlüssel zu sexuellem Erfolg, während Empathie als hinderlich gilt. Die Logik, dass männliche Sexualbedürfnisse Vorrang haben und weibliches Einverständnis als zu überwindendes Hindernis inszeniert wird, ist hierbei tief verankert (Banet-Weiser & Bratich, 2019).
1.4 Echokammern des Hasses: Digitale Dynamiken und psychische Abwehr
Obwohl sich Incels mit ihrem Außenseiterstatus vom vermeintlich erfolgreichen PUA-Typus abzugrenzen scheinen, teilen beide Szenen das Narrativ einer entweder berechnenden (Hypergamie-Vorwurf) oder passiv manipulierbaren (PUA-Logik) Frau. Forschende beobachten dabei fließende Übergänge: Männer, die mit PUA-Techniken scheitern, können in den Incel-Diskurs abgleiten, während manche Incels von den Erfolgsversprechen der PUAs angezogen werden (Kracher, 2021). Der gemeinsame Nenner bleibt ein feindseliges bis verächtliches Frauenbild, das die Frau zur Ressource oder zum Feindobjekt degradiert (Pohl, 2004).
Alle genannten Subkulturen entfalten ihre größte Dynamik innerhalb digitaler Echokammern. Foren und algorithmisch gesteuerte Plattformen (YouTube, Reddit, TikTok, Discord) begünstigen ein gegenseitiges Aufschaukeln extremistischer Positionen (Papadamou et al., 2021). Polarisierende Inhalte generieren hohe Klickzahlen und belohnen somit immer radikalere Beiträge. Diese Entwicklung manifestiert sich oft in einer Meme-Kultur, in der die Diffamierung von Frauen oder Andersdenkenden als „Spaß“ getarnt wird (Banet-Weiser & Bratich, 2019). Begriffe wie „Virgin vs. Chad“, „Red Pill“, „High-Value Man“ oder „femoid“ zirkulieren breit und werden so verharmlost, dass junge User sie oft unreflektiert übernehmen. Die Ironie dient dabei als Schutzschild: Kritik wird mit dem Verweis auf mangelndes Humorverständnis abgewehrt, während frauenfeindliche Narrative subtil normalisiert werden. Es entsteht eine Internetskultur, in der Hass parodistisch inszeniert und dennoch als legitime Haltung akzeptiert wird. Psychoanalytisch betrachtet verweist dieses virtuose Spiel mit Sarkasmus und „Edgelord“-Humor auf das Bestreben, eigene ambivalente Haltungen (Neugier, Sehnsucht, aber auch Angst und Ohnmacht) hinter einer Zynismusmaske zu verbergen. Der Hassausdruck wirkt entlastend, stiftet Gemeinschaft und externalisiert innere Unsicherheiten (vgl. Pohl, 2004).
Hinter der zur Schau gestellten Härte und den aggressiven Ausfällen dieser Gruppen verbirgt sich, so Pohl (2004), häufig eine tiefe Unsicherheit. Männer, geprägt von sexueller Zurückweisung oder sozialer Kränkung, kompensieren ihr verletztes Selbstwertgefühl durch kollektive Schuldzuschreibung an Frauen. Die Stilisierung zum biologisch überlegenen „Leitwolf“ dient der Abwehr von Abhängigkeits- und Vulnerabilitätsängsten. Hier manifestiert sich auch das von Freud (1905/1991) beschriebene Phänomen der Kastrationsangst: Die Vorstellung, durch weibliche Sexualität oder Wahlfreiheit „entmännlicht“ zu werden, provoziert phantasmatische Gegenattacken in Form von Verachtung, Dominanzgebaren oder Gewaltwünschen. Im Kollektiv dieser Subkulturen wird diese Dynamik potenziert; das Gemeinschaftsgefühl („Wir Männer gegen die feminisierte Gesellschaft“) stärkt und entlastet den Einzelnen von seinen Selbstzweifeln. Online verschmelzen diese Kränkungen zu einer Projektionsgemeinschaft, die der Frau alles Bedrohliche zuschreibt: unberechenbare Sexualmacht, emotionale Überlegenheit, ausnutzende Hypergamie. Die resultierende Wut fungiert als Abgrenzungs- und Abwehrmechanismus und kann, insbesondere bei Incels, aber auch in Teilen der PUA- und Alpha-Male-Szene, zur Rationalisierung oder Rechtfertigung von Gewaltfantasien gegenüber Frauen führen.
Die analysierten Online-Subkulturen stellen sich also als eine reaktionäre Gegenbewegung zur gesellschaftlichen Gleichstellung dar. Sie propagieren ein hegemoniales Männlichkeitsideal extremer Ausprägung, das durch Überlegenheit, Härte, sexuelle Kontrolle über Frauen und die Abwertung alles Weiblichen gekennzeichnet ist. Frauen werden zu unterwerfenden Objekten oder Sündenböcken degradiert, niemals aber als gleichberechtigte Subjekte anerkannt. Interessanterweise offenbart sich hinter der aggressiven Fassade eine tiefe Verletzlichkeit: Die Wut dieser Männer entspringt häufig dem Gefühl des Wertverlusts angesichts nicht länger untergeordneter Frauen. Pohl (2004) diagnostiziert hier eine fundamentale Dynamik: „Weiblichkeit wird von Männern unbewusst als Bedrohung erlebt und deshalb abgewehrt.“ Viele Männer fürchten insgeheim die Macht, die Frauen über sie haben – sei es durch sexuelle Attraktivität, emotionale Abhängigkeit oder die Möglichkeit der Zurückweisung. Die verzerrten Frauenbilder der Incel- und PUA-Foren können als extreme Abwehrreaktion auf diese unbewusste Angst verstanden werden. Hass und Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen resultieren – so Pohls (2004) Kernthese – „aus der Verleugnung und Abwehr der männlichen, auf den weiblichen Körper gerichteten Begierde.“ Was Männer begehren, macht sie verletzlich; was sie verletzlich macht, wird gehasst.
Diese psychoanalytische Lesart eröffnet den Übergang zur tiefergehenden Frage, wie sich männliche Geschlechtsidentität in Kindheit und Jugend formiert und welche unbewussten Konflikte dabei eine Rolle spielen. Angesichts der globalen Reichweite und der realen Gewaltausbrüche, die mit einigen dieser Subkulturen in Verbindung stehen, handelt es sich hierbei nicht um vereinzelte Randphänomene, sondern um eine ernste soziokulturelle Entwicklung (Kracher, 2021), deren psychoanalytischer Hintergrund in den folgenden Kapiteln näher beleuchtet wird.
2 Der Schatten des Phallus: Freuds, Kleins und Lacans Entwürfe männlicher Psyche
Die Entwicklung der männlichen Geschlechtsidentität ist in der psychoanalytischen Tradition untrennbar mit dem Wunsch nach und der Abwehr von Weiblichkeit verknüpft. Die klassischen Theorien von Sigmund Freud, Melanie Klein und Jacques Lacan bieten, wenn sie aus einer modernen, symbolischen Perspektive gelesen werden, ein machtvolles Instrumentarium, um die Wurzeln männlicher Fragilität und Aggression zu verstehen. Sie zeichnen das Bild einer Identität, die sich oft in einem defensiven Kampf konstituiert – einem Kampf gegen die Angst vor Abhängigkeit, Ohnmacht und dem Verlust von Potenz. Im Zentrum dieser Dynamiken steht die ambivalente Figur der Mutter und die alles überragende symbolische Bedeutung des Phallus.
2.1 Freud: Ödipus, symbolische Kastration und die Geburt der (fragilen) Männlichkeit
Die klassische psychoanalytische Theorie, begründet von Sigmund Freud, sieht den entscheidenden Wendepunkt der männlichen Identitätsbildung im Ödipus-Komplex. In dieser Phase (ca. 3.–5. Lebensjahr) richtet der Junge seine libidinösen Wünsche auf die Mutter und erlebt den Vater als mächtigen Rivalen. Aus dieser Konstellation erwächst die Kastrationsangst: die Furcht, der Vater könnte ihn für seine verbotenen Wünsche durch den Entzug seines Penis bestrafen. Die Lösung dieses Konflikts – und damit der Grundstein seiner männlichen Identität – liegt für den Jungen in der Abkehr von der Mutter und der Identifikation mit dem Vater und dessen internalisiertem Gesetz (Freud, 1905/1991).
Modernere psychoanalytische Lesarten, wie sie etwa von Timo Storck (2018) rezipiert werden, vertiefen dieses Verständnis, indem sie die symbolische Dimension dieser Konflikte gerade für die männliche Identitätsbildung herausarbeiten. Der Schlüssel liegt in der Neubewertung des Phallus-Begriffs. Der Phallus ist hier nicht mit dem anatomischen Penis gleichzusetzen, sondern ein abstraktes Symbol für Wirkmacht, Begehren und Potenz. Für den Jungen wird der eigene, sicht- und spürbare Penis jedoch zum entscheidenden Anker für diesen abstrakten Phallus. Er wird zum materiellen Beweisstück seiner aufkeimenden Männlichkeit und zum zentralen Instrument, mit dem er sich aus der ursprünglichen, als passiv und symbiotisch erlebten Einheit mit der Mutter zu lösen versucht.
In diesem Licht erhält auch die Kastrationsangst eine tiefere, für die männliche Entwicklung spezifische Bedeutung. Sie ist mehr als die Angst vor körperlicher Verstümmelung; sie ist die symbolische Angst, diese gerade erst gefundene, an den Penis geknüpfte Wirkmacht wieder zu verlieren und in einen Zustand der Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit zurückzufallen, den er unbewusst mit dem (als „kastriert“ fantasierten) weiblichen Körper assoziiert. Die universelle Entwicklungsaufgabe der symbolischen Kastration – die für alle Menschen notwendige Anerkennung der eigenen Grenzen und der eigenen Nicht-Allmacht – wird für den Jungen somit auf dramatische Weise an seinem Körper konkret. Seine männliche Identität konstituiert sich um die Abwehr dieser spezifischen Bedrohung.
Scheitert diese Verarbeitung, entsteht eine tiefgreifende narzisstische Fragilität, die für viele rigide Männlichkeitsformen kennzeichnend ist. Ein Mann, der die symbolische Kastration nicht akzeptieren kann, muss die Fantasie seiner phallischen Überlegenheit permanent aufrechterhalten. Jede Zurückweisung, jedes Scheitern und jede Konfrontation mit weiblicher Autonomie wird dann als existenzielle Bedrohung, als narzisstische Kränkung und als Reaktivierung der Kastrationsangst erlebt. Die aggressiven und frauenfeindlichen Ideologien der Manosphere (vgl. Kapitel I) können als eine solche hypermaskuline Abwehrhaltung verstanden werden, die eine tief sitzende Angst vor dem eigenen Mangel und der eigenen Verletzlichkeit kompensieren soll.
Der Ödipus-Komplex wiederum wird als der entscheidende strukturierende Moment verstanden, in dem der Junge seinen Platz in der sozialen Ordnung findet. Durch die erzwungene Aufgabe der Mutter als exklusives Liebesobjekt und die Identifikation mit dem Vater als repräsentativem Träger von Macht und Gesetz lernt der Junge, was es gesellschaftlich bedeutet, ein Mann zu sein. Dieser Prozess hat für die männliche Identitätsbildung jedoch oft einen hohen Preis: Die Identifikation mit dem „phallischen“ Vater erfordert häufig eine radikale Desidentifikation von der Mutter und damit die Abspaltung all jener als „weiblich“ kodierten Anteile im eigenen Selbst – wie Fürsorglichkeit, emotionale Abhängigkeit oder Rezeptivität. Männlichkeit wird so negativ definiert: als das, was „nicht-weiblich“ ist.
Die männliche Identität erweist sich somit nach Freud und seinen modernen Interpreten als das Resultat eines konflikthaften Ablösungsprozesses, dessen Motor die Angst vor dem Verlust der symbolischen Potenz ist. Eine solche, auf Abwehr basierende Identität erfordert eine unablässige Bestätigung der eigenen phallischen Position und führt oft zu einer rigiden Abwertung des Weiblichen. Die Furcht, durch weibliche Macht symbolisch „kastriert“ zu werden, und der Zwang, diese Angst durch Dominanz zu kompensieren, bilden damit den psychodynamischen Nährboden für jene defensiven Männlichkeitskonstruktionen, die im Zentrum dieser Arbeit stehen.
2.2 Klein: Die archaische Mutter und die Spaltung des Weiblichen
Während Freud den Konflikt mit dem Vater in den Mittelpunkt stellt, verlagert Melanie Klein (1932) den Fokus auf eine noch frühere, präödipale Ebene, die für die männliche Identitätsbildung von ebenso entscheidender Bedeutung ist. Bevor der Junge dem ödipalen Vater als Rivalen begegnet, ist er mit einer fundamentaleren, archaischeren Macht konfrontiert: der omnipotenten Mutter. In seiner totalen Abhängigkeit als Säugling erlebt er die Mutter als lebensspendende, aber auch potenziell verschlingende und überwältigende Kraft. Diese frühe Erfahrung ist geprägt von extremen Affekten, die das kindliche Ich noch nicht integrieren kann.
Um mit der unerträglichen Angst vor der eigenen Auflösung und dem Ausgeliefertsein umzugehen, greift der Junge zum primitivsten Abwehrmechanismus: der Spaltung. Er teilt die Mutter psychisch in zwei gegensätzliche Teilobjekte: eine idealisierte, nährende „gute Mutter“ und eine verfolgende, hasserfüllte „böse Mutter“. Die Aggression, die er gegen diese „böse Mutter“ richtet, ist sein erster, verzweifelter Versuch, Autonomie zu erlangen und sich aus der als bedrohlich empfundenen Symbiose zu befreien. Dieser aggressive Akt der Abgrenzung wird zu einem frühen Baustein seiner sich formierenden männlichen Identität.
Die psychische Reifung erfordert die Überwindung dieser Spaltung in der sogenannten depressiven Position, in der das Kind lernt, die Mutter als eine einzige, ganze Person mit liebenswerten und frustrierenden Eigenschaften zu sehen und zu lieben. Gelingt dieser integrative Schritt nicht oder nur unzureichend, bleibt der Spaltungsmechanismus als psychisches Muster erhalten. Dies liefert eine psychoanalytische Erklärung für die extremen Frauenbilder in der Manosphere. Die radikale Aufteilung in die begehrenswerte, aber unerreichbare „Stacy“ (die idealisierte gute Mutter) und die verhasste, manipulative „Femoid“ (die verfolgende böse Mutter) ist eine direkte Fortsetzung dieser archaischen Spaltung. Die Unfähigkeit, Frauen als komplexe, ganze Subjekte wahrzunehmen, und die Tendenz, sie bei der geringsten Frustration radikal abzuwerten, wurzeln in der unbewältigten Angst vor der überwältigenden Macht der frühen Mutterfigur. Der Hass auf Frauen wird so zur Reinszenierung eines nie gelösten, infantilen Terrors.
2.3 Lacan: Die männliche Maskerade und der Trug des Phallus
Jacques Lacan (1973) überführt diese Dynamiken in ein sprachlich-strukturalistisches Modell und bietet damit die radikalste Deutung der männlichen Identität als einer fundamentalen Maskerade. Bei Lacan tritt der Junge mit der Lösung des Ödipus-Konflikts in die symbolische Ordnung ein – die von Sprache, Gesetz und Kultur geprägte Welt. Der Phallus ist hier endgültig kein Organ mehr, sondern der zentrale, aber leere Signifikant des Begehrens: das, was dem Anderen (der Mutter) zu fehlen scheint und was das Subjekt ersehnt, um diesen Mangel zu füllen.
Die männliche Identitätsbildung ist für Lacan ein tragisches Missverständnis: Der Junge identifiziert den Penis des Vaters als den begehrten Phallus und schließt daraus, dass man den Phallus haben muss, um begehrenswert zu sein. Von diesem Moment an ist seine psychische Position festgelegt: Er wird sein Leben lang versuchen, die Rolle desjenigen zu spielen, der den Phallus hat (avoir). Diese Performance – die Zurschaustellung von Macht, Wissen, Reichtum und Kontrolle – ist das, was die Gesellschaft als „Männlichkeit“ anerkennt. Doch diese Position ist eine Illusion, denn niemand kann den Phallus wirklich besitzen. Jeder Mensch ist in der symbolischen Ordnung durch einen fundamentalen Mangel (manque) gekennzeichnet.
Die „toxische Männlichkeit“ der Alpha-Gurus ist aus dieser Perspektive die übersteigerte, fast schon karikaturhafte Inszenierung dieser Maskerade. Die ständige Demonstration von Überlegenheit dient dazu, den eigenen, unbewusst gespürten Mangel zu überdecken. Diese performative Männlichkeit ist jedoch extrem fragil. Jede Herausforderung durch weibliche Autonomie, jede Kritik und jede Zurückweisung droht, die Maske herunterzureißen und die dahinterliegende Leere – die „Kastration“ – zu enthüllen. Die misogyne Wut, die in der Manosphere tobt, ist die panische Reaktion auf diese drohende Entlarvung. Es ist der verzweifelte Versuch, die Frau gewaltsam in die Rolle des Objekts zurückzudrängen, das die männliche Performance bestätigt, anstatt sie in Frage zu stellen. Männlichkeit ist bei Lacan somit kein authentischer Wesenskern, sondern eine anstrengende, auf Verleugnung basierende und letztlich immer vom Scheitern bedrohte Inszenierung.
2.4 Zwischenfazit
Die psychoanalytischen Entwürfe von Freud, Klein und Lacan zeichnen, bei all ihren Unterschieden, ein konsistentes Bild: Die männliche Identität ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine fragile und defensive Konstruktion. Sie wird nicht aus sich selbst heraus gebildet, sondern in Abgrenzung gegen eine wahrgenommene Bedrohung. Bei Freud ist es die Angst vor der symbolischen Kastration durch den rivalisierenden Vater; bei Klein ist es die noch frühere, archaische Furcht vor der Verschlingung durch die omnipotente Mutter; und bei Lacan ist es die panische Abwehr des strukturellen Mangels, der durch die unmögliche Aufgabe, den Phallus zu haben, kaschiert werden muss. Das gemeinsame Resultat ist eine Identität, die sich durch die Abspaltung, Abwertung und Kontrolle des als „weiblich“ Kodierten zu stabilisieren versucht.
Diese psychoanalytischen Konzepte liefern die psychische Grammatik für die im ersten Kapitel beschriebenen Phänomene. In Momenten persönlicher oder gesellschaftlicher Krisen, in denen Männer ihre Position als bedroht empfinden, werden diese alten Abwehrdynamiken reaktiviert. Das bedeutet nicht, dass alle Männer zwangsläufig misogyn sind, sondern dass bei einer labilen Ich-Struktur und fehlenden reiferen Bewältigungsstrategien die Angst, „nicht mehr richtig Mann zu sein“, leicht in jene aggressiven und sexistischen Formen umschlagen kann, die in der Manosphere kultiviert werden (vgl. Pohl, 2004). Die dort gepflegte Feindseligkeit gegenüber Frauen erscheint so als verzweifelter Versuch, eine brüchige Identität durch die Projektion eigener Ohnmachts- und Abhängigkeitsgefühle auf ein äußeres Feindbild zu kitten.
Die bisherigen Analysen legten den Fokus auf die intrapsychischen Konflikte und die grundlegenden Strukturen der Psyche. Doch diese klassischen Modelle wurden auch kritisiert – insbesondere für ihren teils androzentrischen Blick und eine relative Vernachlässigung der realen, intersubjektiven Beziehungsdynamiken und der soziokulturellen Rahmenbedingungen, die die Geschlechterrollen prägen.
Im nächsten Schritt gilt es daher, den psychoanalytischen Blick zu weiten und jene Theorien einzubeziehen, die genau diese Leerstellen füllen. Feministische und intersubjektive Weiterentwicklungen, wie sie von Denkerinnen wie Nancy Chodorow und Jessica Benjamin formuliert wurden, rücken die prägende Kraft der frühen Mutter-Kind-Beziehung und die Dialektik von Anerkennung und Dominanz ins Zentrum. Sie fragen danach, wie die gesellschaftliche Organisation von Fürsorge die unterschiedlichen Identitätswege von Jungen und Mädchen formt und wie das Ringen um Autonomie die Beziehungsfähigkeit beeinflusst. Diese Brücke von der intrapsychischen Struktur zur gelebten Intersubjektivität schlägt das kommende Kapitel.
3 Jenseits des Ödipus: Feministische und intersubjektive Erweiterungen der Männlichkeitstheorie
Die klassischen psychoanalytischen Modelle männlicher Geschlechtsidentität lieferten zwar ein revolutionäres Instrumentarium zum Verständnis der unbewussten Dynamiken der Psyche, stießen jedoch im Laufe des 20. Jahrhunderts hinsichtlich ihrer Erklärungskraft für die Vielfalt und Komplexität männlicher Entwicklung zunehmend an ihre Grenzen. Insbesondere eine oft implizite Androzentrik – die Tendenz, männliche Erfahrung als universelle Norm zu setzen – und die relative Vernachlässigung präödipaler, sozialer und intersubjektiver Faktoren gerieten in den Fokus kritischer Auseinandersetzungen. In diesem Kontext diagnostizierte der Psychoanalytiker Aigner (2017) mit pointierter Schärfe, Männlichkeit selbst sei zu einem „neuen dunklen Kontinent“ in der Psychoanalyse avanciert. Diese Metapher, eine bewusste Anspielung auf Christa Rohde-Dachsers (1991) berühmte „Expedition in den dunklen Kontinent“ weiblicher Sexualität, impliziert nicht, dass Männlichkeit gänzlich unerforscht geblieben wäre, sondern vielmehr, dass sie trotz – oder gerade wegen – ihrer historischen Position als vermeintliche Norm von signifikanten „blinden Flecken“ und theoretischen Lücken durchzogen ist (Aigner, 2017).
Aigners These von der „Unterbelichtetheit“ männlicher Entwicklung gründet auf der Beobachtung, dass die klassische Psychoanalyse den Mann oft als das implizite „Normal-Ich“ oder „Normal-Subjekt“ konzipierte. Die Entwicklung des Jungen zum Mann galt weithin als der unproblematischere Pfad, während die weibliche Entwicklung als die komplexere, erklärungsbedürftigere und mit spezifischen „Rätseln“ (wie dem Penisneid oder der Frage nach der weiblichen Sexualität) behaftete angesehen wurde. Dieser androzentrische Bias, so Aigner, führte paradoxerweise dazu, dass viele spezifisch männliche Entwicklungsthemen, Konflikte und Vulnerabilitäten nur unzureichend oder verzerrt Beachtung fanden. Dazu zählen etwa die tiefgreifende Bedeutung und Ambivalenz der frühen Mutter-Sohn-Dyade jenseits der Mutter als bloßem Triebobjekt, die komplexe Rolle eines real anwesenden, abwesenden oder idealisierten Vaters, der nicht nur als ödipale Rivalenfigur, sondern auch als Identifikationsobjekt und als „Dritter“ in der Beziehung zur Mutter fungiert, die oft tabuisierte emotionale Verletzlichkeit des Jungen oder auch leib-seelische Erfahrungen wie der von einigen Autoren postulierte (und in der klassischen Psychoanalyse marginalisierte) „Gebärneid“ als männliches Pendant zum Penisneid (vgl. Nitzschke, 1988; Becker, 2002). Aigner (2017) zitiert in diesem Zusammenhang zustimmend Rohde-Dachser (1991), die darauf hinwies, dass tradierte Geschlechtsrollen für beide Geschlechter eine Form der Entfremdung und Einschränkung bedeuten können, und konstatiert: „Nun gibt es auch zur Psychoanalyse des Mannes eine Menge blinder Flecken, und das ist zwar nicht an sich ‚neu‘, sondern nur insofern, als uns manches davon erst nach und nach bewusst wird.“
Diese theoretischen Blindstellen manifestieren sich nach Aigner (2017) häufig in einer problematischen Dichotomisierung oder Einseitigkeit der Erklärungsansätze. Einerseits kritisiert er Tendenzen zu einem undifferenzierten Biologismus, der männliches Verhalten und Erleben primär auf angeborene, hormonelle oder evolutionär bedingte Faktoren zurückführt und dabei Gefahr läuft, stereotype, naturalisierende und letztlich ahistorische Annahmen über „das Männliche“ zu perpetuieren. Andererseits warnt er vor einem ebenso reduktionistischen Sozialkonstruktivismus, der die leib-seelische Dimension männlicher Erfahrung – die Bedeutung des Körpers, der Anatomie (etwa die Realität des Penis und seine symbolische Aufladung) oder die biologische Unmöglichkeit des Gebärens – vernachlässigt oder als rein kulturelles Konstrukt abtut. Eine ausbalancierte psychoanalytische Theorie von Männlichkeit müsse hingegen, so Aigners Plädoyer, beide Dimensionen – die körperliche Verfasstheit und die soziokulturelle Formung – in ihrer komplexen Wechselwirkung und dialektischen Verschränkung berücksichtigen. Es gehe darum, „Männlichkeit“ nicht nur als gesellschaftliches Konstrukt von Macht und Privilegien (eine wichtige, aber nicht hinreichende Perspektive) zu analysieren, sondern ihre psychodynamischen Wurzeln, ihre inneren Konflikte und ihre spezifischen Entwicklungsherausforderungen in den Blick zu nehmen.
Die Dringlichkeit einer solchen differenzierten Auseinandersetzung mit Männlichkeit wird angesichts der in den vorangegangenen Kapiteln skizzierten gesellschaftlichen Phänomene – von der Verbreitung toxischer Männlichkeitsideale im digitalen Raum bis hin zur realen Gewaltbereitschaft einiger ihrer Anhänger – überdeutlich. Dieses Kapitel widmet sich daher jenen Denker*innen und theoretischen Strömungen, die entscheidende Impulse für ein solch erweitertes Verständnis männlicher Identitätsentwicklung jenseits klassischer ödipaler Modelle und androzentrischer Engführungen geliefert haben. Insbesondere die feministische Psychoanalyse und intersubjektive Ansätze haben hier Pionierarbeit geleistet. Theoretikerinnen wie Nancy Chodorow und Jessica Benjamin haben durch ihre kritische Re-Lektüre klassischer Konzepte, ihre Betonung der frühen Objektbeziehungen und der prägenden Rolle der Mutter-Kind-Dyade sowie durch ihre Analyse der Anerkennungsdynamiken entscheidende Beiträge zur Erhellung der von Aigner diagnostizierten „blinden Flecken“ geliefert. Aufbauend auf diesen und anderen kritischen Weiterentwicklungen bietet Michael J. Diamond schließlich ein Modell an, das die präödipale Verwundbarkeit des Jungen, die komplexe Bedeutung des Vaters und die Notwendigkeit der Integration sogenannter „weiblicher“ Anteile für eine reife, „genitale“ Männlichkeit in den Mittelpunkt stellt. Indem dieses Kapitel diesen Weg von der Kritik an den Leerstellen der klassischen Theorie über die feministischen Erweiterungen bis hin zu integrativen zeitgenössischen Konzepten nachzeichnet, soll ein Beitrag zur Erforschung des „neuen dunklen Kontinents“ Männlichkeit geleistet und gezeigt werden, wie die „Fallstricke unreflektierter traditioneller oder patriarchaler Klischees“ (Aigner, 2017) in der psychoanalytischen Theoriebildung erkannt und potenziell überwunden werden können. Es öffnet sich der Weg für eine komplexere Einsicht in männliche Identität, die weder in ein starres Schema von Aktivität versus Passivität, von Stärke versus Schwäche verfällt, noch den männlichen Körper und seine spezifischen Erfahrungen und Vulnerabilitäten ausblendet.
3.1 Die Last der Differenz: Nancy Chodorow und die männliche Definition durch „Nicht-Weiblichkeit“
Nancy Chodorow, eine der prominentesten Vertreterinnen der feministischen Psychoanalyse, leistete mit ihrem 1978 erschienenen Werk The Reproduction of Mothering: Psychoanalysis and the Sociology of Gender einen bahnbrechenden Beitrag zur Revision psychoanalytischer Theorien der Geschlechtsentwicklung. Sie verlagerte den Fokus von der primär intrapsychischen Dynamik des Ödipus-Komplexes, wie er von Freud konzipiert wurde, auf die soziokulturelle Organisation der Elternschaft und deren tiefgreifende Auswirkungen auf die unterschiedlichen Identitätswege von Jungen und Mädchen. Chodorows zentrale These besagt, dass die in den meisten westlichen Gesellschaften vorherrschende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, bei der Frauen die primäre und oft exklusive Verantwortung für die frühe Kinderbetreuung tragen („mothering“), fundamentale Konsequenzen für die psychische Strukturierung und Identitätsbildung beider Geschlechter hat.
Für Jungen, so Chodorow, ergibt sich aus dieser Konstellation eine spezifische Entwicklungsherausforderung. Ihr primäres Liebes- und Identifikationsobjekt in den ersten Lebensjahren ist die Mutter, eine Person des weiblichen Geschlechts. Um eine stabile männliche Geschlechtsidentität zu entwickeln, muss der Junge sich von dieser frühen, symbiotisch geprägten Identifikation mit der Mutter lösen und sich von ihr als dem „Anderen“ abgrenzen. Dieser Prozess der Desidentifikation von der Mutter und der Hinwendung zu einer männlichen Identität wird jedoch, so Chodorows Beobachtung, dadurch erschwert, dass der Vater in vielen Familienstrukturen aufgrund beruflicher Verpflichtungen oder tradierter Rollenvorstellungen emotional und physisch weniger präsent und verfügbar ist als die Mutter. Die männliche Identifikationsobjekt ist somit oft diffuser, abstrakter oder stärker idealisiert als die konkrete, alltäglich erfahrene Beziehung zur Mutter.
Infolgedessen, so Chodorows Kernargument, erfolgt die männliche Identitätsbildung weniger durch eine positive, internalisierende Identifikation mit einem klar konturierten und emotional zugänglichen männlichen Vorbild als vielmehr durch eine Negation der mütterlichen, weiblichen Welt. „Männlichkeit“ wird somit primär als „Nicht-Weiblichkeit“ konstruiert. Jungen lernen, was es heißt, ein Mann zu sein, indem sie lernen, was es heißt, keine Frau zu sein und sich von den Eigenschaften und Verhaltensweisen abzugrenzen, die sie mit ihrer Mutter und mit Weiblichkeit im Allgemeinen assoziieren. Dazu gehören oft Fürsorglichkeit, emotionale Expressivität, Abhängigkeit, Passivität und eine starke Beziehungsorientierung. Diese als „weiblich“ konnotierten Anteile müssen aktiv abgewehrt, verleugnet oder abgewertet werden, um die eigene, als different und autonom erlebte männliche Identität zu festigen. Dieser Prozess ist oft mit einer stärkeren Betonung von Individuation, rationaler Kontrolle, emotionaler Zurückhaltung und einer Abwehr von Intimität verbunden, während die Fähigkeit zur Empathie und tiefen emotionalen Verbundenheit potenziell unterentwickelt bleibt oder als Bedrohung der mühsam errungenen männlichen Identität und Autonomie wahrgenommen wird.
Chodorow (1978) sieht in dieser geschlechtsspezifischen Sozialisationsdynamik eine der zentralen Ursachen für die Reproduktion patriarchaler Strukturen und Geschlechterhierarchien. Männer, deren Identität auf der Abwehr und Abwertung des Weiblichen beruht, neigen dazu, Frauen und als weiblich geltende Werte geringzuschätzen und männliche Dominanz in privaten wie öffentlichen Sphären aufrechtzuerhalten. Die frühe, prägende Erfahrung, von einer Frau intensiv umsorgt und genährt zu werden, während die männliche Rolle primär im außerfamiliären, leistungsorientierten Bereich verortet wird, prägt unbewusst Erwartungen an Geschlechterrollen und intime Beziehungen. Diese Analyse macht deutlich, wie tief die gesellschaftliche Arbeitsteilung der Geschlechter in die psychische Struktur von Männlichkeit eingreift und wie schwierig es für viele Männer sein kann, als „weiblich“ konnotierte Anteile in ihr Selbstbild zu integrieren, ohne ihre mühsam errungene und oft rigide definierte männliche Identität gefährdet zu sehen (Chodorow, 1978; vgl. Pohl, 2004). Chodorows Werk legt somit nahe, dass eine Veränderung der Männlichkeitskonstruktionen auch eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Organisation von Fürsorgearbeit und väterlicher Beteiligung erfordert.
3.2 Das Ringen um Anerkennung: Jessica Benjamin und die Dialektik von Dominanz und Abhängigkeit
Jessica Benjamin (1988) erweiterte die psychoanalytische Perspektive durch die Einführung einer intersubjektiven Theorie, die das menschliche Grundbedürfnis nach wechselseitiger Anerkennung in den Mittelpunkt stellt. In ihrem einflussreichen Buch The Bonds of Love: Psychoanalysis, Feminism, and the Problem of Domination kritisiert sie die klassische psychoanalytische Fokussierung auf das isolierte Individuum und dessen intrapsychische Triebschicksale. Stattdessen betont sie die dyadische Beziehung – beginnend mit der Mutter-Kind-Interaktion – als primären Ort der Selbstentwicklung und der Konstituierung von Subjektivität. Für Benjamin ist die Fähigkeit, den Anderen als ein eigenständiges Subjekt mit eigenen Gefühlen, Wünschen und Intentionen anzuerkennen und gleichzeitig selbst als solches Subjekt vom Anderen anerkannt zu werden, fundamental für eine gesunde psychische Entwicklung und für die Möglichkeit echter Intimität. Diese Dialektik von Selbstbehauptung und Anerkennung des Anderen ist jedoch, so Benjamin, ein komplexer und spannungsgeladener Prozess, der leicht gestört werden kann und oft in einseitige Dominanz-Unterwerfungs-Muster mündet.
In patriarchal geprägten Gesellschaften, so Benjamins Analyse, kommt es häufig zu einem Zusammenbruch dieser wechselseitigen Anerkennung zugunsten von Geschlechterhierarchien, in denen das Männliche die Subjektposition und das Weibliche die Objektposition einnimmt. Insbesondere in der männlichen Entwicklung sieht sie die Gefahr, dass die Anerkennung der (mütterlichen) primären Bezugsperson als ein von ihm getrenntes, eigenständiges Subjekt vermieden oder verleugnet wird. Um die eigene, sich entwickelnde Autonomie zu sichern und die Angst vor Verschmelzung oder Überwältigung durch die zunächst als allmächtig erlebte Mutter abzuwehren, kann der Junge dazu neigen, die Andere – die Mutter, später die Frau – zum Objekt zu machen. Dieses Objekt kann dann kontrolliert, idealisiert, entwertet oder als Projektionsfläche für eigene unliebsame Anteile genutzt werden. Dieses Muster, in dem der Mann die aktive, kontrollierende Subjektposition einnimmt und die Frau auf die passive, dienende oder bedrohliche Objektrolle reduziert wird, ist tief in kulturellen Narrativen, sozialen Praktiken und unbewussten Fantasien verankert (Benjamin, 1988).
Die Wurzel dieses männlichen Strebens nach Dominanz und Kontrolle sieht Benjamin (1988) in der unbewussten Angst vor der eigenen Bedürftigkeit, Abhängigkeit und emotionalen Vulnerabilität, die in der frühen, intensiven Beziehung zur mächtigen Mutter erlebt wurde. Die Anerkennung der Frau als ein gleichwertiges, eigenständiges Subjekt mit eigenen Wünschen, Grenzen und einer eigenen Sexualität würde bedeuten, die eigene Angewiesenheit, das eigene Begehren nach dem Anderen und die damit verbundene Verletzlichkeit zu akzeptieren. Um dieser oft als unerträglich erlebten Konfrontation mit der eigenen Ohnmacht und Abhängigkeit zu entgehen, flüchten viele Männer in die Illusion der Autarkie, der emotionalen Unberührbarkeit und der rationalen Kontrolle. Diese defensive Haltung geht jedoch auf Kosten echter Intimität, lebendiger Wechselseitigkeit und der Fähigkeit, den Anderen wirklich als Subjekt wahrzunehmen und anzuerkennen. Die in Kapitel I beschriebenen Phänomene wie die Objektifizierung von Frauen durch PUAs, die aggressive Abwehr weiblicher Autonomie durch Incel-Gruppierungen oder die herablassende Haltung mancher „Alpha-Male“-Gurus können aus Benjamins intersubjektiver Perspektive als verzweifelte Versuche interpretiert werden, die eigene fragile Männlichkeit durch die Verleugnung der Subjekthaftigkeit der Frau und die narzisstische Abwehr der eigenen Abhängigkeitsgefühle zu stabilisieren (Benjamin, 1988; Pohl, 2004). Eine reife Männlichkeit würde demnach die Fähigkeit beinhalten, diese defensive Haltung und die damit verbundenen Dominanzansprüche aufzugeben und sich der Herausforderung und dem Risiko wechselseitiger Anerkennung zu stellen, was die Bereitschaft zur Konfrontation mit der eigenen Verletzlichkeit voraussetzt.
3.3 Die verleugnete Wunde und das integrierte Selbst: Michael J. Diamonds Weg zur reifen Männlichkeit
Michael J. Diamond (2004, 2015, 2021) markiert einen wichtigen Wendepunkt in der zeitgenössischen psychoanalytischen Auseinandersetzung mit Männlichkeit. Er verlagert den Fokus von einer rein ödipalen Betrachtung hin zu den oft übersehenen und verleugneten präödipalen Verwundbarkeiten des Jungen. Aus diesen frühen Erfahrungen leitet er die Entstehung komplexer Abwehrmechanismen ab, die häufig in einer rigiden, defensiv-phallisch geprägten Männlichkeit münden. Diamonds theoretisches Projekt zielt jedoch über die Diagnose dieser defensiven Strukturen hinaus: Er entwirft die Vision einer „genitalen Männlichkeit“, die durch die Integration abgespaltener Anteile, die Akzeptanz von Ambivalenz und die Fähigkeit zu reifer Objektliebe und Intersubjektivität gekennzeichnet ist. Ein zentrales Konzept in diesem Zusammenhang ist das des bi-genderalen Selbst. Diamond (2004, 2021) postuliert, dass Menschen, unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht, psychische Potenziale in sich tragen, die kulturell traditionell als „männlich“ (z.B. Aktivität, Durchsetzung) oder „weiblich“ (z.B. Rezeptivität, Fürsorge) kodiert werden. Psychische Reife und eine stabile Identität entstehen nach Diamond nicht durch die rigide Polarisierung und Abspaltung eines dieser Pole, sondern gerade durch deren dynamische Integration. Die pathologische Abspaltung sogenannter „weiblicher“ Anteile – das heißt, alles was als weich, fürsorglich, verletzlich oder emotional empfunden wird – betrachtet er als eine Kernursache toxischer Männlichkeitsformen. Eine Identität, die sich primär durch die Dauerabgrenzung vom „Weiblichen“ und die permanente Abwehr des eigenen Inneren definieren muss, verharrt in einem fortwährenden Verteidigungsmodus und ist unfähig zu echter Flexibilität und Intimität (Diamond, 2004).
3.3.1 Von der präphallischen Ohnmacht zur phallischen Kompensation: Die Wurzeln männlicher Abwehr
Diamonds Analyse männlicher Identitätsentwicklung beginnt in der präphallischen Phase, einem Zeitraum, der in klassischen psychoanalytischen Konzepten oft weniger Beachtung fand als der Ödipus-Komplex. Er betont, dass der männliche Säugling in seiner totalen Abhängigkeit von der (meist mütterlichen) primären Bezugsperson eine spezifische Form der Hilflosigkeit und Andersheit erlebt. Diese primal vulnerability (Diamond, 2004) resultiert aus der körperlich-geschlechtlichen Differenz zur Mutter (er besitzt kein weibliches Genital, nimmt die Mutter aber als omnipotent wahr) und der fundamentalen Angewiesenheit auf ihre Fürsorge. Der Junge, so Diamond, kann diese frühe Diskrepanz zwischen eigenem Mangel und mütterlicher Allmacht oft nicht symbolisch verarbeiten. Diese präverbale Erfahrung einer existenziellen Ohnmacht und Abhängigkeit bildet einen latenten, oft unbewussten Kern der männlichen Psyche, um den sich später komplexe Abwehrmechanismen und Identitätskonstruktionen ranken. Das Spannungsfeld aus Begehren und Fremdheit, aus dem Wunsch nach symbiotischer Einheit und dem beginnenden Drang zur Differenzierung, wird zur Wurzel einer spezifisch männlichen Angst – der Angst vor Regression, vor dem Wiedererleben der frühen Ohnmacht und vor dem Verschlungenwerden durch die als übermächtig erlebte mütterliche Figur. Diese Angst, so Diamond, führt in vielen Fällen dazu, dass Jungen und später Männer ihre tiefen Wünsche nach Bindung, Nähe und emotionaler Hingabe verleugnen, abwerten oder rationalisieren, da diese unbewusst mit der traumatischen Erinnerung an die frühe Abhängigkeit und Verletzlichkeit verknüpft sind.
Aufbauend auf dieser fundamentalen präphallischen Verwundbarkeit interpretiert Diamond (2004, 2021) die klassische phallische Phase als einen entscheidenden, aber oft fehlgeleiteten Versuch, die vormals erlebte Ohnmacht zu kompensieren und zu bewältigen. Der Penis rückt nun ins Zentrum der kindlichen Wahrnehmung und erlangt eine überragende symbolische Bedeutung. Er wird zum sichtbaren Zeichen von Macht, Aktivität und Überlegenheit und damit zum materiellen Träger einer phallischen Abwehrlogik. Dieses Denken und Fühlen, das die männliche Identität in dieser Phase dominiert, orientiert sich am starren, binären Schema des „Habens versus Nicht-Habens“: Der Besitz des Penis wird mit Aktivität, Durchsetzungsstärke, Autonomie und Überlegenheit gleichgesetzt, während das Fehlen des Penis (beim Mädchen und bei der Mutter) mit Passivität, Verletzlichkeit, Mangel oder gar Kastration assoziiert wird. Der Junge nutzt diese Logik, um sich von seiner ursprünglichen Abhängigkeit von der Mutter abzusetzen und eine scheinbar autonome und überlegene Position einzunehmen. Indem er sich phantasiert, er „besitze“ das entscheidende Organ, das ihm Macht und Kontrolle verleiht, muss er sich nicht mehr in die Lage des Hilflosen, Bedürftigen und von der Mutter Abhängigen versetzen. Folglich wird alles, was als passiv, rezeptiv, emotional oder „weiblich“ erscheint, als bedrohlich für die eigene, mühsam errungene männliche Identität erlebt, da es an die verleugnete frühkindliche Ohnmacht und Abhängigkeit erinnern könnte. Eine solche binäre und rigide Dichotomie, so Diamond, kann sich später im Erwachsenenalter in extremen, oft rigiden und defensiven Männlichkeitsentwürfen manifestieren. Sobald ein Mann seine fragile „phallische Sicherheit“ bedroht sieht – sei es durch reale oder phantasierte Zurückweisung, durch Konkurrenz, durch weibliche Autonomie oder durch eigene Schwächegefühle –, wird die alte Angst vor Ohnmacht und Abhängigkeit reaktiviert. Die Reaktion darauf ist oft eineRegression in hypermaskuline Machtdemonstrationen, aggressive Abgrenzungsmanöver, die Herabsetzung anderer (insbesondere Frauen oder als „schwächer“ wahrgenommener Männer), Homophobie oder ausgeprägte Frauenfeindlichkeit. Das Problem liegt nach Diamond nicht in der phallischen Phase an sich, die eine notwendige Entwicklungsstufe auf dem Weg zur Individuation darstellt, sondern in der starren, unflexiblen Fixierung auf diese phallische Position als dauerhafte und einzige „Rettung“ vor den unbewussten Erinnerungen an Mangel, Abhängigkeit und die damit verbundene Angst.
3.3.2 Der Weg zur Integration: Genitale Männlichkeit und die Überwindung der Spaltung
Den Ausweg aus dieser defensiven und oft destruktiven phallischen Fixierung sieht Diamond (2021) in der Entwicklung einer „genitalen Männlichkeit“. Dieses Konzept beschreibt eine reifere, flexiblere und weniger gespaltene Form männlicher Identität. Die genitale Männlichkeit geht über die phallische Abwehrlogik hinaus und beinhaltet eine echte Integration der zuvor abgespaltenen „weiblichen“ oder rezeptiven Anteile des Selbst. Sie überwindet die starre binäre Trennung von „aktiv = männlich / passiv = weiblich“ und erkennt die Komplexität und Ambivalenz menschlicher Erfahrung an. In einer genitalen Haltung, so Diamond, kann der Mann den Penis als ein Organ erfahren, das nicht nur aggressiv-dominant und penetrierend, sondern auch lustvoll-empfänglich, beziehungsstiftend und Teil einer wechselseitigen, von gegenseitiger Anerkennung geprägten sexuellen und emotionalen Interaktion ist. Es geht hierbei weniger um eine anatomische Veränderung als um ein grundlegend verändertes Selbstverständnis: Der Mann bleibt zwar körperlich „Mann“ und kann seine aktive Seite leben, darf und kann jedoch Empfänglichkeit, Verletzlichkeit, Emotionalität, Fürsorglichkeit und Abhängigkeitsbedürfnisse in sein Identitätsgefühl integrieren, ohne sich dadurch entmachtet, „kastriert“ oder in seiner Männlichkeit bedroht zu fühlen. Eine solche genitale Organisation, so Diamond, anerkennt die Realität und Legitimität eigener Bedürfnisse und die unvermeidliche Abhängigkeit von geliebten anderen Personen. Nähe, Intimität und Bindung können zugelassen und genossen werden, weil die Erfahrung innerer Differenziertheit und Stärke es erlaubt, die frühe Verwundbarkeit nicht mehr als existenzielle Gefahr, sondern als grundlegendes menschliches Moment zu begreifen, das erst tiefe und erfüllende Beziehungen ermöglicht. Die pathologische Abspaltung als Quelle toxischer Männlichkeitsformen, bei der als „weiblich“ geltende Anteile (weich, fürsorglich, verletzlich) permanent bekämpft oder verleugnet werden müssen, wird überwunden. Eine Identität, die sich nicht mehr durch Dauerabgrenzung vom „Anderen“ (sowohl im Außen als auch im Inneren) definieren muss, entkommt dem fortwährenden Verteidigungsmodus und gewinnt an Flexibilität, Offenheit und Lebendigkeit. Die Integration des „Inneren Weiblichen“ ist somit kein Verlust an Männlichkeit, sondern eine Erweiterung und Bereicherung des männlichen Selbst.
Um diesen inneren Konflikt zwischen der oft grandiosen Fassade scheinbar unbesiegbarer Phallizität und der tief verborgenen, oft schamhaft verleugneten Verwundbarkeit anschaulich zu machen, verwendet Diamond (2015) das eindrückliche Bild der Achillesferse. Der mythologische Held Achilles galt als nahezu unverwundbar, mit Ausnahme seiner Ferse – jenem Punkt, an dem ihn seine Mutter Thetis beim Eintauchen in den Fluss Styx festhielt, um ihm Unsterblichkeit zu verleihen. Diese Metapher verdeutlicht nach Diamond, wie männliche Identität oft eine „unsterbliche Rüstung“ aus Härte, Autonomie, emotionaler Distanz und Leistungsstreben anlegt, um die eigentliche, oft unbewusste Schwachstelle zu verdecken und zu schützen. Diese Schwachstelle ist die unbewältigte Erinnerung an den ureigenen Mangel, die primäre Abhängigkeit von der mütterlichen Figur und die damit verbundene tiefe Angst, erneut ausgeliefert, ohnmächtig und hilflos zu sein. So wie Achilles sich selbst für unbesiegbar hielt, müssen Männer, die rigide auf phallische Allmacht und omnipotente Kontrollfantasien setzen, diese innere Verwundbarkeit nicht spüren. Doch die „Ferse“ bleibt ein realer, wunder Punkt, eine Quelle latenter Angst. Bricht die Fassade der Omnipotenz in Krisensituationen – sei es durch Trennungen, beruflichen Misserfolg, sexuelle Schwierigkeiten oder die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit –, kann die unterdrückte Angst eruptiv und oft unkontrolliert hervortreten und sich in aggressiven, selbstzerstörerischen, depressiven oder frauenfeindlichen Ausbrüchen äußern. Diamond betont jedoch eindringlich, dass die Achillesferse nicht nur eine Quelle von Leid und Pathologie darstellt, sondern auch einen entscheidenden Spielraum für Entwicklung und Heilung bietet: Sobald ein Mann diese empfindliche Stelle bei sich anerkennt und akzeptiert, anstatt sie weiterhin zu verleugnen oder zu projizieren, kann er sich den längst abgespaltenen Gefühlen von Angst, Trauer, Scham und Bedürftigkeit annähern. Dies ermöglicht es ihm, die rigide Verteidigung gegen das vermeintlich bedrohliche „Weibliche“ (im Innen wie im Außen) aufzugeben und die Gleichzeitigkeit von Stärke und Verwundbarkeit, von Autonomie und Abhängigkeit, von Aktivität und Rezeptivität in sich zu integrieren.
3.3.3 Fördernde und hemmende Faktoren auf dem Weg zur Integration
Eine entscheidende Rolle für die Bewältigung dieser komplexen Entwicklungsaufgaben und die Möglichkeit, eine reifere, genitale Männlichkeit zu erreichen, schreibt Diamond (2021) der väterlichen Funktion und der Etablierung eines stabilen triangulären Raums zu. Aufbauend auf klassischen psychoanalytischen Überlegungen zur Bedeutung des Vaters für die Loslösung des Kindes aus der primären Mutter-Kind-Dyade (z.B. bei Abelin), erweitert und differenziert Diamond diese Perspektive. Ein präsenter, emotional verfügbarer und fürsorglicher Vater (oder eine andere väterliche Figur) kann dem Jungen entscheidende alternative Identifikationsmöglichkeiten bieten, die nicht allein auf Dominanz, Härte oder der rigiden Abwehr des Weiblichen beruhen. Ein solcher Vater kann dem Jungen helfen, sich aus der oft als überwältigend erlebten dyadischen Enge mit der Mutter zu lösen, ohne das Weibliche abwerten oder fürchten zu müssen. Er repräsentiert ein „Drittes“, das Sicherheit, Orientierung und ein Modell für eine integrierte Männlichkeit bieten kann. Ist der Vater hingegen physisch oder emotional abwesend, unzuverlässig, selbst in rigiden Männlichkeitsidealen gefangen oder gar gewalttätig, kann sich die Angst des Jungen vor der als allmächtig und potenziell verschlingend erlebten Mutter verstärken. Dies kann die Notwendigkeit einer kompensatorischen, hyperphallischen und defensiven Selbstdefinition erhöhen, um die eigene fragile Autonomie zu schützen. Der Vater als positiver „Anker“ im triangulären Raum kann dem Jungen helfen, ein breiteres Spektrum männlicher Rollenmodelle zu internalisieren, was den Weg zur genitalen Männlichkeit und zur Integration von Verschmelzungsängsten und Dominanzwünschen ebnet.
Eng verbunden mit der Fähigkeit zur Integration unterschiedlicher Selbstanteile ist Diamonds (2004, 2021) erneuter Bezug auf Freuds ursprüngliche, aber oft vernachlässigte Idee einer grundlegenden psychischen Bisexualität. Jeder Mensch, so Diamond in Anlehnung an Freud, birgt sowohl „männliche“ (traditionell assoziiert mit Aktivität, Durchsetzung, Penetration) als auch „weibliche“ (traditionell assoziiert mit Rezeptivität, Hingabe, Empfänglichkeit) Potenziale in sich. Für den Mann bedeutet dies, dass er neben dem Drang zu Aktivität und Autonomie auch das tiefe Bedürfnis nach Hingabe, passivem Genießen, emotionaler Empfänglichkeit und dem Erleben von Verbundenheit besitzt. In vielen patriarchalen Kulturen und auch in internalisierten psychischen Strukturen wird dieser rezeptive, als „weiblich“ konnotierte Anteil jedoch oft massiv abgewertet, als „Weichheit“, „Schwäche“ oder gar als Bedrohung der männlichen Identität und der heterosexuellen Normativität denunziert. Dies kann zu einer rigiden Abwehr dieser Anteile führen – insbesondere bei Männern, die in ihrer präphallischen Phase gravierende Ohnmachts- und Abhängigkeitserfahrungen gemacht haben und fürchten, durch das Zulassen rezeptiver Gefühle erneut in diese Position der Hilflosigkeit zu geraten. Jeder Ausdruck von „passiver“ Lust, emotionaler Zärtlichkeit oder hingebungsvoller Zuwendung könnte dann an die Urangst gemahnen und die Flucht in eine starre, kontrollierende Phallizität verstärken. Erst wenn dieser abgespaltene, oft mit Scham und Angst besetzte „weibliche“ Anteil schrittweise anerkannt, wertgeschätzt und integriert werden darf, kann sich, so Diamond, eine reifere, vollständigere Männlichkeit entfalten, die freier, kreativer und angstfreier mit Lust, Sexualität, Emotionen und intimen Bindungen umgehen kann. Die Scham vor der eigenen Verletzlichkeit und Empfänglichkeit kann sich dann in einen wichtigen Wegweiser zur persönlichen Entwicklung und zu tieferer Selbsterkenntnis verwandeln.
3.3.4 Gesellschaftliche Echos und praktische Konsequenzen
Diamonds Überlegungen beschränken sich keineswegs auf die Individualpsychologie oder die klinische Praxis, sondern haben auch weitreichende gesellschaftliche Implikationen. Gerade in modernen Gesellschaften, in denen traditionelle männliche Rollen, Privilegien und Machtpositionen durch Emanzipationsbewegungen, den Ruf nach Gleichstellung und den allgemeinen soziokulturellen Wandel herausgefordert und in Frage gestellt werden, zeigt sich nach seiner Theorie oft eine Verschärfung der alten psychischen Dynamiken: Die patriarchale Idealisierung eines harten, unemotionalen und dominanten Männlichkeitsideals verstärkt die Angst vieler Männer, „nicht mehr Mann genug“ zu sein oder ihre angestammte Position zu verlieren. Dies kann, wie Diamond (2021) andeutet, zu reaktionären, oft frauenfeindlichen, homophoben oder queerfeindlichen Gegenbewegungen führen, die eine Rückkehr zu vermeintlich „natürlichen“ und hierarchischen Geschlechterordnungen fordern. Das Internet, insbesondere digitale Subkulturen wie die in Kapitel I beschriebene Manosphere, verstärkt diesen Prozess häufig durch Echokammer-Effekte und die schnelle Verbreitung extremistischer Ideologien. Männer, die ihre innere Verwundbarkeit nicht aushalten und ihre Ängste nicht konstruktiv bearbeiten können, suchen und finden in diesen Online-Räumen Bestätigung für eine phallische Überlegenheitsidee und radikalisieren sich in ihrer Abwehr des vermeintlich bedrohlichen oder kastrierenden Weiblichen.
Diamond verweist daher indirekt auf die dringende Notwendigkeit eines breiteren kulturellen Wandels – hin zur Akzeptanz männlicher Vulnerabilität, zur Wertschätzung von Fürsorge, Emotionalität und Empathie auch bei Männern und zu einer Anerkennung und Förderung einer Pluralität geschlechtlicher Ausdrucksformen. Wenn gesellschaftliche Vorbilder existieren, die nicht ausschließlich Härte, Konkurrenz, emotionale Verschlossenheit und Antiweiblichkeit propagieren, sondern auch Fürsorglichkeit, emotionale Intelligenz und partnerschaftliches Verhalten verkörpern, verringert sich das Risiko, dass Männer in extreme Abwehrhaltungen und potenziell destruktive Formen von Maskulinität flüchten. Dies hat auch unmittelbare praktische Implikationen für Erziehung und Therapie: Jungen sollten von klein auf in Bereichen wie emotionaler Kompetenz, Körperwahrnehmung, Empathie und Fürsorge gefördert werden. Bildungseinrichtungen und therapeutische Settings sollten sichere Räume schaffen, in denen das integrative Potenzial des Jungen gestützt wird, anstatt eine rigide Anpassung an traditionelle, oft einengende und schädliche Männlichkeitsnormen zu fordern. Es geht darum, Männern zu ermöglichen, ein „bi-genderales Selbst“ zu entwickeln, das die vermeintlichen Gegensätze von „männlich“ und „weiblich“ in einer reiferen Synthese überwindet.
Es sollte hiermit gezeigt sein, dass Michael J. Diamonds zentrale Errungenschaft in der differenzierten Analyse der frühen männlichen Hilflosigkeit und deren oft lebenslangen Auswirkungen auf die männliche Psyche und Identitätsbildung liegt. Seine Theorie unterscheidet klar zwischen einer defensiven, rigiden „phallischen Männlichkeit“, die auf der Abwehr von Abhängigkeit und Verletzlichkeit beruht und dabei oft zu destruktiven interpersonellen Mustern führt, und einer integrativen, reifen „genitalen Männlichkeit“, die Durchsetzungsvermögen und Empfänglichkeit, Autonomie und Beziehungsfähigkeit auf eine gesunde Weise zu verbinden vermag. Das Bild der Achillesferse dient als eindringliche Mahnung, dass die scheinbare Allmacht des Mannes oft einen tiefen, wunden Punkt verdeckt. Wird diese innere Wunde jedoch erkannt, anerkannt und bearbeitet, kann sich das oft verkümmerte Bedürfnis nach echter Beziehung, emotionaler Hingabe und innerer Flexibilität zeigen – Qualitäten, die Diamond als notwendige Grundlage einer authentischen und lebendigen Männlichkeit ansieht. Damit liefert er nicht nur einen wichtigen theoretischen Unterbau für das Verständnis, weshalb manche Männer so heftig und oft destruktiv auf vermeintliche Kränkungen ihrer Männlichkeit reagieren und warum die Abwertung des Weiblichen als scheinbar notwendige Bewältigungsstrategie erscheint. Er zeigt zugleich eine hoffnungsvolle Perspektive auf, wie diese destruktive Dynamik durch die Anerkennung der uranfänglichen Verwundbarkeit, die Integration abgespaltener Selbstanteile und die Entwicklung einer reiferen Objektliebe transformiert werden könnte. Diamond rundet somit das Spektrum neuerer psychoanalytischer Männlichkeitsforschung ab, die jenseits altbekannter binärer Modelle und rigider Normvorstellungen eine komplexere, differenziertere und letztlich humanere Sicht auf die männliche Identität anstrebt.
Die bisherigen psychoanalytischen Betrachtungen haben die intrapsychischen und frühen interpersonellen Wurzeln männlicher Identitätsbildung beleuchtet. Doch individuelle Entwicklung und kollektive Männlichkeitsbilder bedingen sich wechselseitig. Eine Gesellschaft, die beispielsweise Fürsorgearbeit primär Frauen zuschreibt und männliche Emotionalität sanktioniert, kann bei Jungen jene Abwehrhaltungen gegen das als „weiblich“ Kodierte verstärken, die psychoanalytisch als problematisch identifiziert wurden, und somit die Basis für spätere Machtfantasien und Misogynie legen. Umgekehrt könnte ein Wandel in der gesellschaftlichen Geschlechterordnung, etwa durch die Normalisierung männlicher Beteiligung an Care-Arbeit (z.B. geteilte Elternzeit, mehr Männer in Pflegeberufen) oder durch die Förderung vielfältiger männlicher Rollenbilder, neue Identifikationsmöglichkeiten für Jungen eröffnen und den psychischen Druck der „Anti-Weiblichkeits“-Konstitution mindern. Um diese komplexen Wechselwirkungen zu verstehen, bedarf es nun eines soziologisch-geschlechtertheoretischen Blicks auf die Art und Weise, wie Männlichkeiten in gesellschaftlichen Machtstrukturen verankert, ausgehandelt und transformiert werden.
4 Macht, Männlichkeit, Markt: Hegemonie und die Illusion universeller Stärke vs. gelebte Vielfalt
Die psychoanalytischen Einsichten in die intrapsychischen und interpersonellen Dynamiken der männlichen Identitätsentwicklung, wie sie in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt wurden, entfalten ihre Wirkung stets im Kontext konkreter gesellschaftlicher Verhältnisse. Individuelle psychische Prozesse sind untrennbar verwoben mit kulturellen Normen, sozialen Erwartungen und institutionellen Strukturen, die bestimmte Vorstellungen von Männlichkeit hervorbringen, stabilisieren und andere marginalisieren. Die Frage, wie spezifische Männlichkeitsideale auf kollektiver Ebene hegemonial werden, wie sie sich im sozialen Feld durchsetzen und welche Konsequenzen dies für die Geschlechterverhältnisse und die Lebenschancen von Individuen hat, lässt sich nur klären, wenn die zugrundeliegenden Macht- und Herrschaftsstrukturen berücksichtigt werden, in die Männer hineingeboren, sozialisiert und positioniert werden. In der sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung hat sich daher seit den 1980er-Jahren das Konzept der hegemonialen Männlichkeit, maßgeblich geprägt von Raewyn Connell (2005), als zentrales Analyseinstrument etabliert. Es lenkt den Blick darauf, welche Formen von Männlichkeit in einer Gesellschaft als kulturell dominant und erstrebenswert gelten, wie diese andere Männlichkeitsentwürfe abwerten oder unsichtbar machen und welche systemischen Vorteile – die sogenannte „patriarchale Dividende“ – sie Männern als Gruppe gegenüber Frauen und auch gegenüber anderen, nicht-hegemonialen Männern sichern. Parallel zu dieser Analyse hegemonialer Strukturen belegen jedoch zahlreiche empirische Forschungen und gesellschaftliche Entwicklungen, dass Männlichkeit keineswegs monolithisch ist, sondern auch plural und wandelbar gestaltet sein kann. Theoretiker*innen wie Karla Elliott (2016) und Eric Anderson (2009) weisen auf einen graduellen, aber signifikanten Wandel hin zu fürsorglicheren und inklusiveren Männlichkeitsmodellen hin. Gerade im Spannungsfeld dieser widersprüchlichen Tendenzen – der Verteidigung hegemonialer Positionen einerseits und dem Aufkommen pluraler Männlichkeiten andererseits – entzündet sich der oft als „Krise der Männlichkeit“ (Kimmel, 2013) beschriebene Kampf um Deutungshoheit, der insbesondere in den digitalen Sphären mit großer Vehemenz ausgetragen wird.
4.1 Hegemoniale Männlichkeit (Connell): Das unsichtbare Skript männlicher Dominanz
Ausgehend von den grundlegenden Analysen Raewyn Connells (2005) wird Männlichkeit im soziologischen Kontext nicht als eine angeborene Eigenschaft von Individuen verstanden, sondern als ein komplexes Beziehungsgeflecht und ein dynamisches soziales Konstrukt. Männlichkeit ist demnach ein kulturell und institutionell verankertes Ideal, ein Set von Praktiken, Diskursen und Erwartungen, an dem sich Männer – oft unbewusst, aber auch aktiv – ausrichten und gemessen werden. Dieses dominante Ideal, die hegemoniale Männlichkeit, trägt entscheidend dazu bei, dass Männer in der Gesamtgesellschaft systemische Vorteile und Privilegien (die von Connell als „patriarchale Dividende“ bezeichnete strukturelle Begünstigung) genießen. Es ist wichtig zu betonen, dass hegemoniale Männlichkeit nicht bedeutet, dass alle Männer diesem Ideal vollumfänglich entsprechen oder es identisch umsetzen. Vielmehr fungiert sie als kulturell vorherrschende Norm, als Maßstab, an dem andere Männlichkeitsformen gemessen und oft als defizitär, abweichend oder untergeordnet klassifiziert werden. In den meisten westlichen Gesellschaften ist dieses hegemoniale Ideal traditionell eng verknüpft mit Attributen wie Härte, emotionaler Kontrolle, Rationalität, Risikobereitschaft, physischer Stärke, heteronormativer Potenz und einer klaren Abgrenzung von allem, was als „weiblich“ kodiert wird (wie z.B. Fürsorge, Emotionalität, Sanftmut, Abhängigkeit). Durch diese Definition sichert die hegemoniale Männlichkeit nicht nur die männliche Dominanz im Verhältnis zu Frauen, sondern strukturiert auch die Hierarchien innerhalb der Gruppe der Männer, indem sie beispielsweise homosexuelle, queere, sehr fürsorgliche oder als „unmännlich“ geltende Männer marginalisiert und ihnen volle Anerkennung verwehrt (Connell, 2005).
Diese inhärente Machtdynamik und der Abwehrcharakter hegemonialer Männlichkeit werden besonders deutlich in den bereits in Kapitel I analysierten sogenannten Manosphere-Subkulturen (vgl. Kracher, 2021). Hier werden extrem frauenfeindliche, antifeministische und oft gewaltverherrlichende Narrative kultiviert. Gruppen wie Incels, selbsternannte „Alpha-Males“ oder PUAs überhöhen ein Bild des Mannes als naturgegeben überlegene, durchsetzungsfähige und emotional unberührbare Instanz, der Frauen prinzipiell unterworfen seien oder zu gehorchen hätten. Im Hintergrund dieser Ideologien steht häufig die tief sitzende Angst und Kränkung, Männer hätten ihre „natürlichen“ Privilegien und ihre gesellschaftliche Vormachtstellung durch den Feminismus, die Emanzipation der Frauen und allgemeine gesellschaftliche Modernisierungsprozesse verloren. Indem in diesen Online-Foren die „Rückeroberung“ weiblicher Unterordnung und sexueller Verfügbarkeit propagiert wird – sei es durch physische Macht, psychologische Manipulation, ökonomische Überlegenheit oder aggressive Rhetorik – reproduzieren und radikalisieren sie in überspitzter Form genau jenes hegemoniale Männlichkeitsideal, das Dominanz, Aggressivität, sexuelle Kontrolle über Frauen und emotionale Kälte als Inbegriff des „wahren Mannes“ feiert.
4.2 Gekränkte Anspruchshaltung (Kimmel): Wenn männliche Privilegien bröckeln
Eine einflussreiche soziologische Erklärung für die Wut, den Fanatismus und die oft reaktionäre Haltung solcher maskulinistischer Gruppen liefert der US-Soziologe Michael Kimmel (2013) mit seinem Konzept des „aggrieved entitlement“, was sich annähernd mit „gekränkter Anspruchshaltung“ übersetzen lässt. Kimmel argumentiert in seinen Untersuchungen, dass insbesondere viele (junge, weiße) Männer in westlichen Gesellschaften mit einer internalisierten, oft unbewussten Erwartungshaltung aufwachsen, einen quasi selbstverständlichen Anspruch auf gesellschaftlichen Erfolg, berufliche Anerkennung, Respekt und sexuelle Bestätigung durch Frauen zu haben. Dieser Anspruch speist sich aus historisch gewachsenen patriarchalen Strukturen und Privilegien. Wenn diese Männer nun in der Realität erfahren, dass ihnen dieser vermeintlich naturgegebene Anspruch – sei es durch die Konkurrenz von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, durch veränderte partnerschaftliche Erwartungen, durch das Erleben weiblicher Selbstbestimmung oder durch eine als „feminisiert“ wahrgenommene Gesellschaft – verweigert oder in Frage gestellt wird, führt dies zu einem tiefen Gefühl der Entwertung, der Kränkung und des Verrats. Aus diesem Gefühl des „aggrieved entitlement“ entspringt, so Kimmel, leicht eine massive Aggression, die sich gegen Frauen, Feministinnen, Minderheiten oder als „System“ wahrgenommene liberale Eliten richtet, denen die Schuld am eigenen Statusverlust zugeschrieben wird. Anstatt sich an veränderte gesellschaftliche Realitäten anzupassen, die eigenen Erwartungen kritisch zu reflektieren oder konstruktiv neue Lebenswege und Identitätsentwürfe zu suchen, regredieren diese Männer oft auf eine reaktionäre Verteidigung eines idealisierten männlichen Allmachtsanspruchs und einer vermeintlich „verlorenen Ordnung“ (Kimmel, 2013).
Die Dynamiken in Online-Foren und digitalen Subkulturen (vgl. Kapitel I und V) illustrieren dieses Phänomen auf paradoxe Weise: Männer, die sich als Opfer einer „gendergerechten“ oder feministischen Politik inszenieren und über den Verlust ihrer Männlichkeit klagen, beziehen sich in ihrer Argumentation doch implizit oder explizit auf ein hegemoniales Männlichkeitsideal, das ihnen vermeintlich universelle Macht, Kontrolle und Anerkennung zuschreibt. Sie trauern einem Zustand nach, in dem ihre hegemoniale Rolle unangetastet war, ohne jedoch den Widerspruch zu erkennen, dass sie damit lediglich ein patriarchales Privileg und eine überholte Dominanzstruktur reaktivieren wollen. Die digitale Kommunikation in diesen Echokammern verstärkt das Gefühl der gemeinsamen Kränkung und der gegenseitigen Bestätigung in der Opferrolle. Wenn in Incel-Communities mantrahaft wiederholt wird, dass alle Frauen „Hypergamie“ auslebten und nur sexuelle Kontakte mit privilegierten „Chads“ anstrebten, radikalisieren sich betroffene junge Männer in ihrem Glauben, vom anderen Geschlecht und von der Gesellschaft insgesamt absichtlich und ungerechtfertigt ausgeschlossen zu sein. Hier zeigt sich der Begriff des „aggrieved entitlement“ in seiner ganzen Schärfe und destruktiven Potenz: Die erlebte Kränkung und der internalisierte, aber frustrierte Anspruch auf hegemoniale Privilegien verschmelzen im Internet zu einer explosiven Mischung, die in offenem Hass, Vergewaltigungsfantasien und in einigen tragischen Fällen auch in realen Gewalttaten eskaliert (Kracher, 2021; Pohl, 2004).
4.3 Gegenentwürfe: Caring Masculinity und Inclusive Masculinity als gelebte Alternativen
Soziologisch betrachtet ist die Fixierung auf hegemoniale oder gar toxische Männlichkeitsideale jedoch nur eine Seite der Medaille. Männlichkeit ist, wie Connell (2005) selbst immer wieder betont, keineswegs monolithisch oder statisch, sondern plural, dynamisch und historisch wandelbar. Parallel zur Persistenz und teils aggressiven Verteidigung hegemonialer Ausrichtungen haben sich in westlichen Gesellschaften längst auch alternative, marginalisierte oder neu entstehende Männlichkeitsformen entwickelt und etabliert. Viele Männer definieren ihre Identität nicht primär über Dominanz, Kontrolle und Abgrenzung, sondern über Fürsorge, Kooperation, emotionale Verbundenheit und Gemeinschaftssinn – beispielsweise als engagierte Väter, als gleichberechtigte Partner, in sozialen und pflegerischen Berufen oder in solidarischen Gemeinschaften.
Karla Elliott (2016) hat für diese Entwicklung den Begriff der caring masculinity geprägt. Darunter versteht sie eine Form von Männlichkeit, die sich ausdrücklich auf Werte wie Empathie, Fürsorglichkeit, emotionale Intelligenz und Beziehungsfähigkeit stützt, ohne dass Männer dadurch ihre männliche Identität verlieren oder als „unmännlich“ gelten. Männer, die sich als fürsorglich und empathisch verstehen und dies auch aktiv leben, demonstrieren, dass das tradierte binäre Schema „Weiblichkeit = Sorge und Beziehung, Männlichkeit = Härte und Autonomie“ nicht zwingend und naturgegeben ist. In sozialen, pädagogischen und pflegerischen Berufen wächst der Anteil von Männern, die sich bewusst von klassischen Dominanzidealen distanzieren und ihre eigene Männerrolle an „weichen“, kooperativen und beziehungsorientierten Tugenden festmachen (Elliott, 2016).
Ähnliche Beobachtungen macht Eric Anderson (2009) mit seinem Konzept der inclusive masculinity. Er stellt fest, dass insbesondere in Teilen jüngerer Generationen und in bestimmten (oft urbanen und bildungsorientierten) Jugendkulturen ein signifikanter Rückgang an Homophobie, Sexismus und rigiden Macho-Gebärden zu beobachten ist. Dies erleichtert es jungen Männern, Gefühle offener zu zeigen, nicht-sexuelle körperliche Nähe zu männlichen Freunden zuzulassen (etwa im Sport oder in freundschaftlichen Umarmungen) und enge, vertrauensvolle Freundschaften zu pflegen, ohne ständig um ihre „heterosexuelle Männlichkeit“ oder ihren Status in der männlichen Hierarchie bangen zu müssen. Diese Entwicklungen deuten auf eine fortschreitende Pluralisierung der Männlichkeiten hin, in denen das hegemoniale Modell zwar weiterhin wirkmächtig ist, aber längst nicht mehr unangefochten und alternativlos im Mittelpunkt stehen müsste.
Allerdings stehen diesen ermutigenden und progressiven Befunden die lautstarken und teils gewaltbereiten Gegenbewegungen in Online-Subkulturen wie der Manosphere gegenüber. Es entsteht ein sichtbares und oft schmerzhaftes Spannungsfeld: Während gewisse gesellschaftliche Milieus und immer mehr Individuen die tradierten patriarchalen Dominanzmuster aktiv aufbrechen, Care-Arbeit als männliche Aufgabe begreifen und emotionale Offenheit für Männer legitimieren, übersteigern andere Gruppen ihren Hass auf vermeintlich „schwache“, „verweichlichte“ oder „feminisierte“ Männer und identifizieren sich umso stärker und rigider mit einem idealisierten, oft als „archaisch-ursprünglich“ verklärten Mannsein, das auf Stärke, Aggression und der Unterordnung von Frauen basiert.
4.4 Polarisierung und Deutungskämpfe: Die Krise als Chance?
Diese zunehmende Polarisierung kann als ein tiefgreifender gesellschaftlicher Aushandlungsprozess, als ein Kampf um die Deutungshoheit über Geschlechterrollen und männliche Identität verstanden werden. Die in Kapitel I analysierten Gruppen wie Incels, PUAs oder Alpha-Männlichkeits-Gurus stehen für den verzweifelten Versuch, einen traditionellen, hegemonialen Status männlicher Vorherrschaft zu retten oder wiederherzustellen, der durch gesellschaftlichen Wandel und emanzipatorische Bewegungen bedroht scheint. Sie radikalisieren und verabsolutieren jene Elemente, die in der hegemonialen Männlichkeitskultur ohnehin implizit angelegt sind: Männer müssten sich Frauen gegenüber durchsetzen, Härte demonstrieren, emotionale Kontrolle wahren und sämtliche als „weiblich“ geltenden Attribute konsequent abspalten, abwerten oder bekämpfen. Damit verschaffen sie sich zwar innerhalb ihrer oft geschlossenen Online-Communities ein hohes Maß an Bestätigung und „Männerbündigkeit“, entkoppeln sich aber zunehmend von den Realitäten einer pluralen und sich wandelnden Gesellschaft.
Wer die hier wirkenden Konfliktlinien und die Vehemenz der Auseinandersetzungen verstehen will, muss die komplexen und oft widersprüchlichen Prozesse auf verschiedenen Ebenen im Blick behalten: Auf der individuellen Ebene wirken, wie in den psychoanalytischen Kapiteln dargelegt, oft tiefe narzisstische Kränkungen, Ängste vor Abhängigkeit und Kontrollverlust sowie unbewältigte frühe Konflikte (Pohl, 2004). Männer, die ihren in der Kindheit internalisierten, oft grandiosen Anspruch auf männliche Oberhoheit und omnipotente Kontrolle durch die Realität frustriert sehen, reagieren mit Wut, Hass und der Projektion eigener Unzulänglichkeitsgefühle auf externe Sündenböcke, um ihren verletzten Selbstwert zu stabilisieren (Kimmel, 2013). Auf kollektiver Ebene steht das historisch gewachsene Patriarchat als gesellschaftliche Struktur unter Druck. Emanzipatorische Bewegungen, veränderte ökonomische Bedingungen und ein gewandeltes Geschlechterbewusstsein erschüttern tradierte Machtverhältnisse, woraufhin sich deren Verfechter und Profiteure verbünden, um alte Vorrechte und eine vermeintlich „natürliche Ordnung“ zu verteidigen. Die digitale Sphäre fungiert dabei als neuer, globaler Schauplatz, auf dem hegemoniale Ideale teils in extremis und performativ zelebriert werden. Gleichzeitig finden aber auch alternative Männlichkeitskulturen, feministische Allianzen und progressive Männerbewegungen (etwa Väternetzwerke, Profeministen, Pro-LGBTQ+-Männergruppen) hier einen Resonanzboden und Möglichkeiten der Vernetzung und Artikulation.
4.5 Abschließende Gedanken zur Männlichkeit im Spannungsfeld von Beharrung und Wandel
Aus soziologischer Sicht lässt sich damit festhalten, dass Männlichkeit in modernen Gesellschaften stets ein dynamisches Feld von Aushandlungsprozessen, Machtdynamiken und kulturellen Kämpfen ist. Hegemoniale Männlichkeitsnormen, obwohl sie sich im Wandel befinden, bieten bestimmten Männergruppen weiterhin Privilegien und Machtpositionen, schließen jedoch andere Männer aus oder werten sie ab und tragen maßgeblich zur fortgesetzten strukturellen Benachteiligung und Marginalisierung von Frauen und anderen nicht-männlichen Geschlechtern bei. Dennoch zeigen neuere empirische Forschungen und gesellschaftliche Trends, dass ein Wandel hin zu pluraleren, fürsorglicheren, gleichberechtigteren und integrativeren Männerbildern möglich ist und bereits stattfindet. Dieser Wandel könnte langfristig die alten Dominanzstrukturen untergraben und zu einer gerechteren und humaneren Gesellschaft beitragen.
Allerdings ist eine wachsende und oft aggressive Gegenwehr in Form reaktionärer Maskulinismen zu beobachten, die insbesondere online eine hohe Sichtbarkeit und Mobilisierungskraft entfaltet. Diese Gegenwehr lässt sich, wie die psychoanalytischen Kapitel nahelegen, auch durch das Moment der tiefen Angst vor dem Verlust des Phallus, der symbolischen männlichen Potenz, bzw. vor dem Verschwinden realer männlicher Privilegien und der damit verbundenen narzisstischen Kränkung erhellen. Auch Kimmels (2013) Beobachtungen zur „gekränkten Anspruchshaltung“ und Pohls (2004) Analysen zur männlichen Abwehr des Weiblichen verdeutlichen, warum sich diese Abwehrfront gerade in Zeiten tiefgreifender sozialer Umbrüche und Verunsicherungen so vehement, oft irrational und bisweilen gewaltbereit formiert.
Dieser Konflikt um Männlichkeitsdefinitionen und die damit verbundenen Machtansprüche wird die gesellschaftlichen Diskurse absehbar weiterhin prägen und möglicherweise an Schärfe gewinnen, nicht zuletzt weil sich in den digitalen Medien ein potenter Resonanzboden für extremistische und polarisierende Positionen findet. Die „patriarchale Dividende“ ist nicht verschwunden, aber sie steht zunehmend unter Rechtfertigungsdruck und wird von immer mehr Menschen kritisch hinterfragt. Der Aufstieg reaktionärer Männerbünde im Netz ist ein deutliches Zeichen dafür, dass viele Männer ihre traditionelle hegemoniale Position als bedroht empfinden und mit aller Macht gegensteuern wollen. Gleichzeitig entwickeln aber auch immer mehr Männer ein Bewusstsein dafür, dass die rigide Einhaltung tradierter Männlichkeitsnormen – Härte, emotionale Kontrolle, Abwertung von Frauen und die Verleugnung eigener „weicher“ Seiten – nicht nur Frauen und anderen schadet, sondern auch sie selbst in eine psychische und soziale Engführung ihrer Identität und Lebensmöglichkeiten zwingt. Zwischen diesen beiden Polen – der reaktionären Verteidigung hegemonialer Dominanz und der progressiven Entdeckung eines fürsorglichen, inklusiven und partnerschaftlichen Mannseins – verlaufen die entscheidenden gesellschaftlichen und individuellen Bruchlinien der Gegenwart. Die Analyse dieser digitalen Dynamiken und ihrer Verknüpfung mit breiteren extremistischen Strömungen wird Gegenstand des folgenden Kapitels sein
5 Hass als Meme: Digitale Radikalisierungspfade und die Allianz von Misogynie und Rechtsextremismus
Die in den vorangegangenen Kapiteln analysierten psychodynamischen und soziokulturellen Faktoren männlicher Identitätsbildung finden im 21. Jahrhundert einen potenten Resonanzraum und Katalysator im digitalen Raum. Die explosionsartige Verbreitung frauenfeindlicher und allgemein misogyner Männlichkeitskonzepte, wie sie in Kapitel I exemplarisch dargestellt wurden, ist ohne die spezifischen Mechanismen des Internets kaum vorstellbar. Digitale Plattformen haben eine eigene Dynamik der Vernetzung, der wechselseitigen Bestätigung und der beschleunigten Radikalisierung geschaffen, in der selbst extremste Positionen eine Anhängerschaft finden und sich weiter zuspitzen können. Dieses Kapitel untersucht die Rolle von Online-Radikalisierung, die spezifische Funktion von Memes in der Verbreitung extremistischer Ideologien und die oft übersehene, aber brandgefährliche ideologische Nähe zwischen frauenfeindlichen Männerbünden und dem organisierten Rechtsextremismus.
5.1 Der Sog des Kaninchenbaus: Mechanismen der Online-Radikalisierung in der Manosphere
Insbesondere jene digitalen Räume, die sich dem Einfluss etablierter Medien und moderierender Instanzen weitgehend entziehen – wie anonyme Imageboards (z.B. 4chan), bestimmte Subforen auf Plattformen wie Reddit, aber auch geschlossene private Discord-Kanäle und Telegram-Gruppen – bilden eine Art Echokammer. In diesen virtuellen Schutzräumen können sich frustrierte, verunsicherte oder gekränkte Männer (vgl. Kimmels „aggrieved entitlement“, Kapitel IV) gegenseitig in ihren negativen Weltbildern bestärken, ihre Feindbilder kultivieren und sich sukzessive radikalisieren (Kracher, 2021). Die algorithmischen Empfehlungssysteme großer sozialer Netzwerke (z.B. YouTube, TikTok) wirken dabei oft wie Brandbeschleuniger: Wer einmal Inhalte aus dem Spektrum der Manosphere konsumiert – sei es zu den Themen „Alpha-Männlichkeit“, Flirttipps von PUAs oder Klagen über den Feminismus –, bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit immer härtere, extremere und ideologisch geschlossene Videos oder Beiträge vorgeschlagen. Dieser als „Rabbit-Hole-Effekt“ bezeichnete Mechanismus kann dazu führen, dass Individuen über scheinbar harmlos anmutende Einstiegsangebote – etwa Fitness-Coaching, Finanztipps oder oberflächliche Dating-Ratschläge – immer tiefer in Verschwörungsmythen, unverhohlene Hetze gegen Frauen, antisemitische Narrative oder neonazistische Propaganda abdriften und sich in einer regelrechten „Parallelöffentlichkeit“ wiederfinden, die von der breiteren Gesellschaft weitgehend abgeschottet ist (vgl. Kracher, 2021; Nagle, 2017).
5.2 Das virale Gift: Memes als Waffen im Kulturkampf der Geschlechter und darüber hinaus
Einen besonderen Stellenwert in dieser digitalen Radikalisierungsdynamik nehmen Memes ein. Memes sind in sich hochverdichtete, oft ironisch gebrochene Bild-Text-Kombinationen, die sich aufgrund ihrer leichten Produzierbarkeit, Modifizierbarkeit und Teilbarkeit viral im Internet verbreiten. Sie fungieren als eine Art subkulturelle Kurzschrift, die in kürzester Zeit komplexe ideologische Botschaften, Feindbilder und Zugehörigkeitsgefühle vermitteln kann. Klassische Beispiele aus den Incel- und „Alpha Male“-Foren, wie das „Virgin vs. Chad“-Meme (der unsichere, unattraktive „Virgin“ versus der überlegene, potente „Chad“) oder die ständige Referenz auf die „Red Pill“ (ein aus der Filmreihe The Matrix entlehntes Symbol für das angebliche „Erkennen der wahren Realität“ männlicher Unterdrückung und weiblicher Natur), illustrieren die Wirkmacht dieser Kommunikationsform (Nagle, 2017). Im Kontext des misogynen Online-Milieus bedeutet „die rote Pille schlucken“ zumeist, die vermeintliche Wahrheit erkannt zu haben, dass Frauen biologisch nur auf bestimmte (dominante und attraktive) Männertypen programmiert seien und dass Feminismus, Gleichstellungspolitik oder „politische Korrektheit“ lediglich eine ideologische Verschleierung dieser angeblich naturwüchsigen Geschlechterhierarchie darstellten. Die noch radikalere „Black Pill“ verkündet die endzeitliche Vision, dass für „unterlegene“ Männer jede Hoffnung auf ein erfülltes Sexual- und Beziehungsleben prinzipiell vergeblich sei und nur noch Zynismus oder Rache blieben.
Der enorme Einfluss dieser Meme-Kultur erklärt sich aus mehreren Faktoren. Erstens ermöglichen Memes durch ihre virale Verbreitung eine schnelle und breite ideologische Indoktrination, insbesondere junger, medienaffiner Nutzer. Zweitens tarnen sie radikale, hasserfüllte und menschenverachtende Inhalte oft in vermeintlich humorvollen, satirischen oder ironischen Bildern und Sprüchen. Dadurch verschwimmen die Grenzen zwischen „Spaß“, Provokation und ernstgemeinter Hetze. Wer auf den hasserfüllten Kern eines Memes hinweist, läuft Gefahr, als humorlos, überempfindlich oder als Teil des „establishments“ abgetan zu werden. Die oft zur Schau gestellte ironische Distanzierung („It’s just a joke“, „Don’t take it seriously“) dient dabei häufig als Schutzstrategie, um Kritik abzuwehren und gleichzeitig die eigene Radikalität zu verschleiern (vgl. Nagle, 2017; Kracher, 2021). Dieses Prinzip der „ironischen Ambivalenz“ erleichtert die Normalisierung und Akzeptanz extremismusnaher Einstellungen, da sie im lockeren, spielerischen Gewand einer subversiven Online-Satire daherkommen. Auf diese Weise können selbst Vergewaltigungsfantasien, Morddrohungen gegen Frauen oder rassistische Stereotype in Meme-Form verbreitet und konsumiert werden, ohne dass die Urheber oder Verbreiter sich immer ihrer direkten Aggression und deren potenziellen Konsequenzen stellen müssten (Kracher, 2021). Memes schaffen so eine subkulturelle Codesprache, die Insider verbindet und Außenstehende ausschließt, und tragen zur Verfestigung von Ingroup-Identitäten und Feindbildern bei.
5.3 Brüder im Geiste: Die unheilige Allianz von Frauenhass und Rechtsextremismus
Innerhalb dieser digitalen Subkulturen, die misogyne Männlichkeitsideale propagieren, existiert zudem eine signifikante und wachsende ideologische Nähe zum organisierten Rechtsextremismus, die sich in vielfältigen personellen, thematischen und rhetorischen Überschneidungen manifestiert. Zwar sind Frauenhass (Misogynie) und Rassismus (oder Antisemitismus) nicht per se identische Ideologien, doch teilen sie eine grundlegende Weltsicht, die auf Hierarchie, Ungleichwertigkeit, Dominanz und der Konstruktion von Feindbildern beruht. Rechte und rechtsextreme Gruppen adaptieren und instrumentalisieren zunehmend jene Narrative, die in der Manosphere zirkulieren: Der „weiße Mann“ werde systematisch „entmannt“ und seiner natürlichen Vorherrschaft beraubt – der Feminismus habe ihn domestiziert und verweichlicht, Migranten und Minderheiten würden seinen ökonomischen und sozialen Status sowie seine kulturelle Identität bedrohen, und liberale, kosmopolitische Eliten förderten diesen Prozess des „großen Austauschs“ (Replacement-Theorie) mutwillig.
Aus dieser Perspektive erscheinen reaktionäre Männerbünde, Incel-Gruppierungen oder Pick-Up-Artist-Kreise als natürliche Verbündete im Kampf gegen eine als dekadent und feindlich wahrgenommene moderne Gesellschaft. Antifeminismus und Misogynie fungieren hierbei gleichsam als ein politischer Kitt oder als Einstiegsdroge, die Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungsglauben und völkischen Nationalismus zu einem umfassenden, reaktionären Abwehrkampf gegen den gesellschaftlichen Wandel und emanzipatorische Bestrebungen verbinden (vgl. Speit, 2020). Selbst im deutschsprachigen Raum ist deutlich festzustellen, dass rechtsextreme Narrative von einer angeblichen „Fremdbesiedlung“ oder „Umvolkung“ den Schulterschluss mit dem Argument der „Feminisierung“ des Abendlandes suchen: Frauen, so das rechte Feindbild, seien nicht mehr bereit, den „natürlichen“ Geschlechterrollen als Mütter und Hüterinnen der „Rasse“ zu folgen, und der Feminismus trage aktiv zur Geburtenknappheit der „weißen Rasse“ und zur Destabilisierung der traditionellen Familie bei.
Die Attentäter von Halle (2019) und Hanau (2020) in Deutschland oder von Christchurch (2019) in Neuseeland sind tragische Beispiele dafür, wie tödlich die Verbindung von tief sitzendem Frauenhass, rassistischen Verschwörungsmythen und rechtsextremer Ideologie werden kann. In den Manifesten und Live-Statements solcher Täter verquickt sich die Idee, Frauen seien schuld am Geburtenrückgang bzw. an der „Verweichlichung“ des Mannes und der Nation, oft nahtlos mit gewalttätigem Antisemitismus, Islamophobie und allgemeiner Fremdenfeindlichkeit (Speit, 2020). In manchen Incel-, 4chan- oder rechtsextremen Online-Communities werden solche Täter dann als Helden, Märtyrer oder Vollstrecker eines vermeintlich gerechten Zorns stilisiert, was wiederum neue Nachahmer anziehen und zu einer gefährlichen Spirale der Gewalteskalation beitragen kann. Gewalt gegen Frauen oder vermeintliche „fremde“ Gruppen wird hier rationalisiert und legitimiert als notwendiger Akt der Wiederherstellung einer verlorenen, imaginierten Ordnung, in der der (meist weiße, heterosexuelle) Mann erneut souverän und unangefochten herrschen soll.
5.4 Psychologische und soziopolitische Dimensionen der digitalen Radikalisierung
Für eine umfassende Analyse dieser Radikalisierungsprozesse ist es entscheidend, sowohl die bereits diskutierten psychologischen Aspekte (etwa die narzisstische Kränkung, die Abwehr von Abhängigkeitsgefühlen, die Kompensation von Ohnmachtserfahrungen, vgl. Kapitel II und III) als auch den spezifischen soziopolitischen Kontext und die Funktionsweise digitaler Medien zu berücksichtigen. Das Internet bietet einerseits Individuen mit hohem Frustrations-, Aggressions- und Kränkungspotenzial ein Forum, in dem sie Gleichgesinnte finden, Bestätigung erfahren und Anerkennung für ihre radikalen Ansichten erhalten, anstatt auf kritische Korrektive oder soziale Sanktionen zu stoßen. Andererseits nutzen rechtsextreme und maskulinistische Akteure gezielt digitale Plattformen, soziale Medien und geschlossene Gruppenchats, um verunsicherte, wütende oder orientierungslose junge Männer zu rekrutieren, zu indoktrinieren und für ihre politischen Ziele zu mobilisieren. Die auf YouTube, TikTok und anderen Plattformen oft sehr erfolgreichen „Alpha-Male“-Influencer – häufig mit einem betont antiliberalen, antifeministischen und verschwörungstheoretischen Impetus – repräsentieren hier einen gefährlichen Übergangsbereich, in dem das populäre Narrativ der „starken Männlichkeit“ direkt in Hassideologien, antidemokratische Positionen und die Bereitschaft zur Gewalt münden kann (vgl. Kimmel, 2013; Kracher, 2021).
Die spezifische digitale Meme-Ökonomie trägt dabei wesentlich zu einer scheinbar spielerischen, niedrigschwelligen und oft ironisch getarnten Verbreitung extremistischer Inhalte bei. Indem Memes ständig neu kontextualisiert, mit aktuellen Ereignissen verknüpft und mit anderen Meme-Formaten gemischt werden, entsteht eine komplexe subkulturelle Codesprache. Diese dient der Abgrenzung von der als feindlich oder ignorant wahrgenommenen „normalen“ Gesellschaft und stärkt das Ingroup-Gefühl. Kritik von außen wird oft als Beleg für die eigene elitäre Erkenntnis und Überlegenheit gedeutet („We’re just joking, you don’t get it!“). Die gegenseitige Bestätigung innerhalb der Online-Community steigert sich spiralförmig und radikalisiert die Gemeinschaft immer weiter. Hasserfüllte Konzepte – ob gegen Frauen, Jüdinnen und Juden, Muslime, Schwarze Menschen, LGBTQ+-Personen oder andere als „Feinde“ definierte Gruppen – lassen sich so häppchenweise, oft unter dem Deckmantel von schwarzem Humor oder Satire, in virale Mini-Botschaften verpacken und rasch millionenfach reproduzieren und normalisieren (Nagle, 2017; Kracher, 2021).
All dies unterstreicht, dass Frauenfeindlichkeit und misogyne Männlichkeitsideale im Netz nicht als isolierte Phänomene betrachtet werden sollten. Sie sind vielmehr integraler Bestandteil einer größeren autoritären, illiberalen und oft rechtsextremen Gegenkultur, die in den digitalen Medien ihre idealen Resonanzräume und Mobilisierungsinstrumente gefunden hat. Verschwörungstheoretische Elemente wie der Mythos vom „Großen Austausch“ (Replacement) oder das Schreckbild einer staatlich organisierten „Umerziehung“ der Jungen zum „Genderwahn“ passen nahtlos zum erlebten Verlust hegemonialer Männlichkeitsprivilegien und zur Dämonisierung emanzipatorischer Bewegungen. Einige Politikwissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang bereits von einer „Gamification“ des Extremismus, bei der Symbole, Witze, Memes und spielerische Elemente genutzt werden, um das politische Klima immer weiter anzuheizen und zur Gewalt zu enthemmen.
Aus psychoanalytischer Perspektive bestätigt die digitale Netzradikalisierung das in den vorangegangenen Kapiteln skizzierte Dilemma der männlichen Geschlechtsidentität, das sich um unbewusste Ängste, narzisstische Vulnerabilität und rigide Abwehrmechanismen dreht. Wer sich in einer tiefen Kränkung seines männlichen Selbstwertgefühls wähnt, weil das Patriarchat erodiert und traditionelle Privilegien in Frage gestellt werden, greift oft auf den in Memes verpackten, gemeinschaftlich validierten Hass zurück, um die eigene fragile Identität zu stabilisieren und ein Gefühl von Macht und Zugehörigkeit wiederzuerlangen. Aus soziologischer Sicht ergänzt sich dies mit dem fortwirkenden hegemonialen Druck, „ein richtiger Mann“ im Sinne traditioneller Dominanzvorstellungen zu sein, was in der digitalen Sphäre performativ zur Schau gestellt und verteidigt wird. Dass sich dabei auch gezielt rechtsextreme Akteur*innen einklinken und die Frustrationen und Aggressionen dieser Männer für ihre rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen Ziele instrumentalisieren, stellt eine bedrohliche gesellschaftliche Entwicklung dar (Speit, 2020). Letztlich kulminiert die Analyse dieser Verflechtungen in der Erkenntnis, dass toxische Männlichkeitsbilder und Rechtsextremismus strukturelle Brüder im Geiste sind: Beide basieren auf rigiden Hierarchien, der Konstruktion von Feindbildern, der Verachtung von Schwäche und Vielfalt sowie dem fundamentalistischen Wunsch, eine vermeintlich „natürliche“, gottgegebene oder biologisch determinierte Ordnung wiederherzustellen, in der der „starke Mann“ ohne Widerspruch und Zweifel herrscht. Die Herausforderung, die sich aus diesen Entwicklungen für ein zeitgemäßes Verständnis von Geschlecht und Identität ergibt, wird im folgenden Kapitel durch die Auseinandersetzung mit trans*- und nicht-binären Perspektiven weiter vertieft.
6 Gender jenseits der Norm: Trans- und nicht-binäre Identitäten als Prüfstein für die Psychoanalyse*
Die zunehmende gesellschaftliche Sichtbarkeit und Anerkennung von trans* und nicht-binären Identitäten stellt das traditionell binäre und oft an biologischen Gegebenheiten orientierte Geschlechterverständnis, wie es in der klassischen Psychoanalyse lange Zeit vorherrschte, grundlegend in Frage. In der älteren psychoanalytischen Tradition wurde die Anatomie (Penis versus kein Penis) häufig mit einer quasi naturgegebenen und zwingenden psychischen Entwicklungslinie gleichgesetzt. Abweichungen von diesem als „normal“ definierten Pfad – etwa die Identifikation eines biologisch als männlich gelesenen Kindes als Mädchen oder umgekehrt, oder die Ablehnung einer eindeutigen binären Zuordnung – galten oft als pathologische Störungen, die aus unbewussten Konflikten (z.B. einem unbewältigten Ödipuskomplex, einem übersteigerten Penisneid, einer gestörten primären Identifizierung oder traumatischen Erfahrungen) resultieren würden und einer korrigierenden Behandlung bedürften. In den letzten Jahrzehnten zeigt sich jedoch, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Queer Theory, der Gender Studies und der Selbstvertretung von trans* und nicht-binären Personen, ein signifikanter Paradigmenwechsel auch innerhalb der Psychoanalyse: Trans* und nicht-binäre Menschen werden in vielen neueren psychoanalytischen Ansätzen nicht mehr primär als Träger*innen von Defekten oder als Ausnahmen von der Regel betrachtet, sondern als lebendiger Beleg dafür, dass Geschlechtsidentität prinzipiell komplexer, fluider, subjektiver und vielfältiger ausgeprägt sein kann, als es die traditionellen binären Modelle zuließen (vgl. Gherovici, 2017; Corbett, 2009; Diamond, 2021). Dieses Kapitel untersucht, wie die Psychoanalyse auf diese Herausforderung reagiert und wie die Integration trans*- und nicht-binärer Perspektiven das Verständnis von Männlichkeit und Geschlecht insgesamt erweitern kann.
6.1 Kreative Selbstfindung (Gherovici): Transidentität als Lacan’sches Sinthom
Die Lacan-Schülerin Patricia Gherovici (2017) hat in ihren Arbeiten den psychoanalytischen Blick auf Transidentitäten wesentlich erweitert und de-pathologisiert. Aufbauend auf Lacans spätem Konzept des Sinthoms – einem einzigartigen, subjektiven Knotenpunkt persönlicher Symbolisierungen, Bedeutungsstiftungen und kreativer Konfliktlösungen, der dem Subjekt ermöglicht, mit dem Realen des eigenen Seins und den Brüchen in der symbolischen Ordnung umzugehen – deutet Gherovici die Transition oder die geschlechtliche Selbstbestimmung als eine solche „kreative Lösung“. Diese erlaube es dem Individuum, ein oft tiefes existenzielles Leid, das aus der Diskrepanz zwischen zugewiesenem Geschlecht, körperlichem Erleben und subjektiver Identität resultiert, zu lindern und einen stimmigeren, lebenswerteren Bezug zum eigenen Körper und zur eigenen Subjektivität zu finden. Anders als in der klassischen Pathologisierung, wo Transsein oft als Symptom einer tieferliegenden Verdrängung, einer ungelösten Identifizierung oder einer Abwehr verstanden wurde, schlägt Gherovici vor, trans* Menschen als Protagonist*innen ihrer eigenen Identitätsfindung und ihres eigenen Begehrens zu sehen. In vielen Fällen, so ihre These, fungiert die Transition (sei sie nun sozial, medizinisch oder beides) wie ein Sinthom, das den oft schmerzhaften Knoten zwischen Körper, Begehren, Namen und subjektiver Wahrheit auf eine neue, für das Subjekt gangbarere Weise organisiert und stabilisiert.
In dieser Lacan’schen Lesart wird deutlich, dass weder die biologische Anatomie noch die soziale Zuschreibung allein und deterministisch darüber entscheiden, wie sich ein Subjekt zum Phallus (als dem zentralen Signifikanten der Geschlechterdifferenz in der symbolischen Ordnung) und zur gesellschaftlichen Geschlechterordnung verhält. Lacans Idee, wonach das Geschlecht – ob „männlich“ oder „weiblich“ – letztlich eine Position zum Signifikanten des Phallus ausdrückt und von Sprache, Symbolik und dem Begehren des Anderen geprägt ist, erhält im Falle von trans* Identitäten eine neue, herausfordernde Konkretisierung: Die Person wählt (oft unbewusst, aber auch zunehmend bewusst und selbstbestimmt) eine für sie passender und stimmiger erscheinende Position in der Geschlechterordnung, was sich in körperlichen Modifikationen, sozialen Rollen, sprachlichen Selbstbezeichnungen und affektiven Besetzungen niederschlagen kann (Gherovici, 2017).
6.2 Erfundene Geschlechter (Corbett): Gender Creativity jenseits der Pathologisierung
Ken Corbett (2009), ein weiterer wichtiger Vertreter eines neueren psychoanalytischen Denkens über Geschlecht, spricht in seinem Werk Boyhoods: Rethinking Masculinities von gender creativity. Darunter versteht er die Fähigkeit und oft auch die Notwendigkeit von Kindern (und später Erwachsenen), immer wieder aktiv eigene Geschlechtspositionen zu „erfinden“, auszuhandeln, zu erproben und zu gestalten, anstatt sie passiv von der Biologie oder starren sozialen Normen vorgegeben zu bekommen. Gerade bei Kindern, die sich nicht oder nicht eindeutig mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren (oft als „gender non-conforming“ oder „gender creative“ bezeichnet), beobachtet Corbett eine oft spielerische, explorative und natürliche Neugier, die das rigide Junge/Mädchen-Schema unterläuft. Kinder erproben mitunter verschiedene geschlechtliche Inszenierungen, Rollen, Kleidung und Namen, um herauszufinden, was sich für sie stimmiger, authentischer und lebendiger anfühlt.
Die ältere psychoanalytische Tradition hätte diese Vielfalt und Fluidität kindlichen Geschlechtsausdrucks oft vorschnell als Zeichen einer „psychischen Störung“, einer „Identitätsverwirrung“ oder als Gefahr für eine „adäquate“ und „normale“ Identitätsbildung interpretiert und nicht selten therapeutische Interventionen zur „Korrektur“ empfohlen. Corbett (2009) hingegen plädiert eindringlich für klinische Zurückhaltung, für Vorsicht vor Pathologisierung und für eine Haltung des Respekts und der Neugier gegenüber der subjektiven Erfahrung des Kindes. Er betont, dass solche Kinder (und die Erwachsenen, die sie werden) keineswegs notwendigerweise traumatisiert oder gestört sind, sondern häufig eine sehr gesunde, resiliente und eigenständige Art der Ich-Findung und der Konfliktbewältigung demonstrieren. Damit rücken frühe psychoanalytische Vorstellungen, wonach die psychische Geschlechtsidentität quasi unausweichlich und linear an die anatomische Geschlechterrolle gekoppelt sei und jede Abweichung davon als pathologisch zu werten sei, in ein zunehmend fragwürdiges Licht.
6.3 Das fluide Selbst (Diamond): Integration und die Grenzen der binären Logik
Michael J. Diamond (2021), dessen Konzept des bi-genderalen Selbst bereits in Kapitel 3.3 ausführlich dargestellt wurde, liefert auch wichtige Beiträge zum Verständnis von Transidentität. Sein Modell, das ursprünglich auf die Entwicklung von cis-Männern gemünzt war und davon ausgeht, dass jeder Mensch potenziell „weibliche“ und „männliche“ psychische Elemente integrieren muss, um zu einer reifen Identität zu gelangen, lässt sich im Umgang mit trans* Erfahrungen noch erweitern und differenzieren. Trans* Personen, die eine tiefgreifende und oft schmerzhafte Diskrepanz zwischen ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und ihrem subjektiven Erleben und ihrer inneren Wahrheit verspüren, machen besonders offensichtlich, wie sehr Geschlechtsidentität ein komplexer, dynamischer und innerer Gestaltungsprozess ist, der nicht einfach aus der Biologie oder der sozialen Erwartung abgeleitet werden kann. Wenn Diamond betont, dass cis-Männer sich psychisch entwickeln können, indem sie ihre oft verleugneten „femininen“ Anteile aktiv in ihr Selbst integrieren, so zeigt eine trans* Mann-Perspektive (also eine Person, die anatomisch als weiblich geboren wurde, sich aber als Mann erfährt und lebt) noch deutlicher, dass das „Weibliche“ und das „Männliche“ keine festen, biologisch determinierten Essenzen sind, sondern fluide psychische und soziale Kategorien, die nicht exklusiv oder zwingend mit bestimmten biologischen Merkmalen verschränkt sein müssen.
Diamond (2021) beschreibt eindrücklich, wie bedeutsam es für die psychoanalytische Praxis ist, dass Therapeut*innen keine normative Repressions- oder Korrekturagenda mehr verfolgen, sondern vielmehr die spezifische psychische Wahrheit und das subjektive Erleben der Klient*innen anerkennen und validieren. In vielen Fällen, so seine klinische Erfahrung, kann die soziale und/oder medizinische Transition oder ein Leben jenseits der binären Kategorien von männlich/weiblich (z.B. als nicht-binäre Person) die bestmögliche und gesündeste Möglichkeit für das Individuum sein, innere Konflikte zu beruhigen, ein stimmiges und kohärentes Selbstgefühl zu erreichen und ein lebenswertes Leben zu führen.
6.4 Freuds Erbe neu gelesen: Bisexualitätsthese und die Revision des Ödipus-Modells
Interessanterweise lässt sich dieser Paradigmenwechsel in der Psychoanalyse, der zu einer offeneren und differenzierteren Haltung gegenüber Geschlechtervielfalt führt, in gewisser Weise auf Freuds eigene, oft ambivalent formulierte Bemerkungen zur „angeborenen Bisexualität“ des Menschen zurückführen (Freud, 1905/1991). Freud postulierte, dass im psychischen Apparat jedes Menschen rudimentär auch die Merkmale und Dispositionen des „anderen“ Geschlechts angelegt seien, auch wenn im normalen Reifungsverlauf üblicherweise eine eindeutige heterosexuelle und binärgeschlechtliche Positionierung entstehe. Aus damaliger Sicht blieb dies oft eine eher theoretische Fußnote, die er im Kontext seiner stärker normativen späteren Schriften nicht konsequent weiter ausarbeitete. Doch aus heutiger Perspektive, im Lichte der Erkenntnisse der Queer Theory und der gelebten Erfahrungen von trans* und nicht-binären Menschen, kann man in dieser frühen Freud’schen Intuition eine Tür öffnen, um Geschlecht und Sexualität grundsätzlich weniger dichotom, weniger rigide und vielfältiger zu denken.
Die zeitgenössische Psychoanalyse hat die Chance und zunehmend auch die Notwendigkeit erkannt, diese Idee der grundlegenden psychischen Fluidität weiterzuentwickeln und beispielsweise den Ödipus-Komplex von seiner oft zu starren Koppelung an die Penis/Kastrationssymbolik und an heteronormative Entwicklungspfade zu befreien. Statt zu behaupten, beim Jungen müsse zwangsläufig die Angst vor der Kastration durch den Vater alle weiteren Entwicklungsschritte und Identifizierungen dominieren, kann man den Kern des ödipalen Prozesses geschlechtsneutraler und struktureller interpretieren: als einen notwendigen Triangulationsschritt des Kindes in Bezug zu zwei (oder mehr) bedeutsamen anderen Subjekten, der die primäre Dyade aufbricht und den Eintritt in die symbolische Ordnung ermöglicht – unabhängig von der spezifischen anatomischen oder sozialen Geschlechterrolle dieser Bezugspersonen. Eine solche Lesart würde weniger rigide festlegen, wie sich das Kind schließlich identifiziert, und müsste nicht jeden davon abweichenden Weg vorschnell als pathologisch, defizitär oder als Ausdruck eines ungelösten Konflikts abtun.
6.5 Von der Korrektur zur Begleitung: Wandel in der klinisch-psychoanalytischen Praxis
Dieser theoretische Wandel spiegelt sich auch zunehmend auf der Ebene der klinischen Praxis wider: Viele psychoanalytische Behandlungen von trans* und nicht-binären Personen zielen heutzutage nicht mehr auf eine „Umpolung“, „Heilung“ oder „Korrektur“ ihrer Geschlechtsidentität, sondern auf eine verstehende, begleitende und unterstützende Haltung in einem oft herausfordernden und komplexen Prozess der Selbstwerdung und Identitätsfindung. Die Frage, ob eine soziale oder medizinische Transition (z.B. hormonelle Maßnahmen, geschlechtsangleichende Operationen) für eine Person der richtige Weg ist, ist nicht länger eine Frage des psychoanalytischen Diktats oder der normativen Vorgabe, sondern eine zutiefst persönliche Entscheidung, die von der Person selbst – idealerweise in einem informierten und reflektierten Prozess, oft gemeinsam mit Ärzt*innen, Therapeut*innen und anderen unterstützenden Personen – getroffen wird. Die Rolle der Psychoanalyse kann und sollte vielmehr darin liegen, mögliche innere Konflikte, Ambivalenzen, Ängste, Trauerprozesse oder Traumatisierungen (z.B. aufgrund von Diskriminierung, familiärer Ablehnung oder internalisierter Transphobie) zu bearbeiten und das Subjekt dabei zu unterstützen, einen authentischen und gangbaren Weg für sich zu finden (Gherovici, 2017; Corbett, 2009).
Damit rückt die Psychoanalyse näher an das international anerkannte Konzept der Gender Affirmative Therapy (geschlechtsbejahende Therapie), das in vielen Ländern als Standard für die Begleitung von trans* und nicht-binären Personen gilt. Statt von trans* Menschen erst einen langwierigen „Beweis“ ihrer „echten“ Transidentität einzufordern, bevor unterstützende Maßnahmen eingeleitet werden, basiert dieser Ansatz auf einer grundsätzlich bejahenden und respektvollen Haltung gegenüber der selbstdefinierten Geschlechtsidentität. Dies schließt jedoch nicht aus, auch Raum für Zweifel, Ängste, Unsicherheiten und mögliche Umwege im Transitionsprozess zu lassen und diese explorativ zu begleiten (Corbett, 2009).
6.6 Implikationen für das Verständnis von Männlichkeit: Fluidität statt Fixierung
Gerade im Hinblick auf die in diesem Essay kritisch beleuchtete „toxische Männlichkeit“ und die oft rigiden, defensiven Formen männlicher Identitätskonstruktion (vgl. Kapitel I, II, IV, V) kann die Einbeziehung trans* und nicht-binärer Perspektiven weitreichende und potenziell befreiende Effekte haben. Wenn es kulturell und auch innerhalb der psychoanalytischen Theorie zunehmend anerkannt wird, dass „Mannsein“ nicht univok und nicht zwingend identisch ist mit einer bestimmten Anatomie, mit spezifischen Verhaltensweisen (Dominanz, Aggression), mit einer heterosexuellen Orientierung oder mit einer permanenten Abwehrhaltung gegenüber allem als „weiblich“ Kodierten, entsteht ein größerer Freiraum für vielfältige männliche Identitätsentwürfe. Männlichkeit muss sich dann nicht mehr zwanghaft und defensiv über Anti-Femininismus, Homophobie oder die Abwertung anderer definieren.
Fluide oder trans* Männlichkeiten, wie sie in der Öffentlichkeit und im klinischen Raum zunehmend sichtbar werden, demonstrieren bereits, dass Männer kraftvoll, authentisch und selbstbewusst „männlich“ auftreten können, ohne an die altbekannten, oft einengenden Codes (körperliche Härte, emotionale Verschlossenheit, Leistungsdruck, Konkurrenzdenken) gebunden zu sein. Viele trans* Männer betonen beispielsweise, dass sie sich durchaus als „weiblich“ sozialisierte oder erlebte Qualitäten wie Empathie, emotionale Ausdrucksfähigkeit oder Fürsorglichkeit bewahren wollen und dies keineswegs ihren Anspruch, als Männer anerkannt und respektiert zu werden, schmälert oder ihre männliche Identität in Frage stellt. Dies eröffnet eine neue Perspektive auf Geschlechtervielfalt, die auch traditionell sozialisierten cis-Männern zeigen könnte, dass „Mannsein“ nicht in starrer Abgrenzung zur Frau oder zum „Weiblichen“ verankert sein muss, sondern eine breitere Palette an Ausdrucksformen und emotionalen Möglichkeiten umfassen kann (Diamond, 2021).
In gewisser Weise greift diese Entwicklung die Kernideen der feministischen Psychoanalytikerinnen wie Chodorow (1978) und Benjamin (1988) auf, wonach die rigide Abwehr des Weiblichen und die Verleugnung von Abhängigkeitsbedürfnissen für die männliche Identitätsbildung nicht nur unnötig, sondern oft auch psychisch und sozial destruktiv sein kann. Nicht-binäre Personen, die sich bewusst jenseits oder zwischen den Kategorien Mann/Frau verorten, verdeutlichen zudem, dass im menschlichen Erleben möglicherweise immer mehrere Geschlechterpositionen und -potenziale angelegt sind und mitschwingen – eine Tatsache, die, wie erwähnt, bereits in Freuds früher These von der „angeborenen Bisexualität“ anklingt, aber von der klassischen Psychoanalyse selten konsequent in den Vordergrund gestellt und in ihrer vollen Tragweite für das Verständnis von Geschlechtsidentität ausgelotet wurde (Freud, 1905/1991).
6.7 Eine offene Psychoanalyse für eine plurale Geschlechterwelt
Die Anerkennung und Integration von trans* und nicht-binären Identitäten und Perspektiven hat somit enorme und potenziell transformative Implikationen für die Psychoanalyse als Theorie und Praxis. Sie zwingt zu einer kritischen Revision mancher ihrer Grundannahmen – etwa zum scheinbar unvermeidlichen Zusammenhang zwischen Penis und „aktiver“ Männlichkeit, zur sogenannten kastrationsbedingten Passivität und dem Penisneid im Weiblichen oder zu einer allzu linearen und normativen Auffassung des Ödipus-Komplexes. Gleichzeitig bietet sie der Psychoanalyse die einmalige Gelegenheit, ihr ursprüngliches subversives und aufklärerisches Versprechen einzulösen: das Unbewusste in seiner Vielschichtigkeit aufzudecken, innerpsychische Konflikte und Leidenszustände zu verstehen und zu lindern, und menschliche Sexualität und Geschlechtlichkeit in ihrer ganzen Vielfalt und Komplexität ernst zu nehmen, ohne sie vorschnell zu pathologisieren oder normieren zu wollen.
In einer Welt, in der, wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt, digitale Subkulturen ein rückwärtsgewandtes, oft biologisch und essentialistisch fundiertes und aggressiv hegemoniales Männlichkeitsbild predigen, kann eine offene, reflexive, trans*-affirmative und plurale Psychoanalyse einen wichtigen Gegenentwurf und einen Raum für differenziertes Denken bieten. Sie kann zeigen, dass Geschlecht nicht ein statischer Besitz oder eine biologische Tatsache ist, sondern ein komplexer, dynamischer und oft lebenslanger Prozess des Werdens, der von unbewussten Fantasien, Identifizierungen, kulturellen Einschreibungen und subjektiven Bedeutungsstiftungen geprägt ist – und dass insbesondere Männlichkeit vielfältige und kreative Ausdrucksformen haben kann, ohne in Dominanzgebaren, Frauenfeindlichkeit oder die Abwehr des „Anderen“ zu münden.
So gesehen sind trans* und nicht-binäre Perspektiven keine Bedrohung oder Gefahr für die psychoanalytische Lehre, sondern vielmehr eine unverzichtbare kreative Herausforderung und Erweiterung, die das Wissen über psychische Prozesse, über die Komplexität von Identität und über die kulturelle Bedingtheit unserer Geschlechtervorstellungen vergrößert. Für das spezifische Verständnis von Männlichkeit bedeutet dies, den oft rigiden Dualismus – „Der Mann hat den Phallus, die Frau ist kastriert“ oder „Männlich ist aktiv, weiblich ist passiv“ – aufzubrechen und durch ein flexibles, multidimensionales Modell der Geschlechtsidentität zu ersetzen, das Ambivalenz, Fluidität und subjektive Wahrheit anerkennt. Wo dies gelingt, so die Hoffnung, löst sich auch der zentrale Motor misogyner Angst und männlicher Überlegenheitsfantasien: die Furcht des Mannes, durch das Weibliche (oder das als „weiblich“ Abgespaltene in sich selbst) bedroht, entwertet oder „kastriert“ zu werden. Denn wenn Geschlecht nicht länger eine starre, binäre Schicksalszuweisung ist, sondern eine sich wandelnde, subjektiv gestaltbare und plural gelebte Position, dann fällt auch der Zwang zur permanenten Abgrenzung, Abwertung und Kontrolle des „Anderen“ potenziell weit geringer aus. Dies eröffnet den Weg zu einem neuen Verständnis von Männlichkeit, das im abschließenden Kapitel skizziert werden soll.
7 Männlichkeit neu denken: Plädoyer für eine Kultur der Fürsorge, Anerkennung und Reife
Die vorangegangenen Kapitel haben eine komplexe und oft widersprüchliche Landschaft männlicher Identitätsentwicklung nachgezeichnet. Von den archaisch anmutenden, misogynen Inszenierungen in digitalen Subkulturen über die psychoanalytischen Wurzeln männlicher Abwehr und Angst bis hin zu den soziokulturellen Kämpfen um hegemoniale und plurale Männlichkeitsentwürfe wurde deutlich: Männlichkeit ist keineswegs ein starrer, naturgegebener Zustand, sondern das dynamische Resultat vielschichtiger psychischer, sozialer und kultureller Formierungsprozesse. Die verbreiteten und medial oft überrepräsentierten „toxischen“ Varianten, in denen Männer ihre Identität primär über Aggression, Dominanz und die Abwertung von Weiblichkeit definieren, stellen dabei nur einen, wenn auch gesellschaftlich folgenreichen, Pol eines breiten Spektrums möglicher männlicher Identitätsformen dar. Zum Abschluss dieser Untersuchung sollen daher einige zentrale Aspekte skizziert werden, die Wege zu einer humaneren, integrativeren und reiferen Männlichkeit weisen könnten – einer Männlichkeit, die nicht auf defensiver Abwehr und der Perpetuierung von Machtungleichgewichten gründet, sondern auf psychischer Integration, empathischer Beziehungsgestaltung und der Anerkennung anderer Subjekte in ihrer jeweiligen Eigenheit und Würde.
Ein erster und fundamentaler Schlüssel auf dem Weg zu einer solchen reiferen Männlichkeit liegt in der bewussten Integration statt der fortgesetzten Verdrängung und Abspaltung jener Qualitäten und Selbstanteile, die in patriarchalen Kulturen häufig als „weiblich“ kodiert und abgewertet werden. Dazu gehören insbesondere die Fähigkeit zur Empathie, das Zulassen von Verletzlichkeit, die Bereitschaft zur Kooperation und die Übernahme von Fürsorgeverantwortung. Wie die psychoanalytischen Arbeiten von Chodorow (1978), Benjamin (1988) und insbesondere Diamond (2021) eindrücklich belegen, kann es für die psychische Gesundheit und Entwicklung von Jungen und Männern von unschätzbarem Wert sein, sich dieser sogenannten „weichen“ Seiten nicht zu schämen oder sie als Bedrohung der eigenen Männlichkeit zu erleben, sondern sie als integralen und wertvollen Teil ihres Selbst anzuerkennen und zu kultivieren. Wo stattdessen eine rigide Abwehr alles als „weiblich“ Wahrgenommenen im eigenen Inneren und im Außen stattfindet, entsteht oft eine fragile, unsichere und überkompensatorische Identität, die sich durch ständige Bestätigung des „Nicht-Weiblichseins“, durch Abgrenzung und oft auch durch Feindseligkeit gegenüber Frauen (als vermeintliche Trägerinnen jener „verfemten“ Eigenschaften) absichern muss. Die Integration dieser Anteile hingegen mildert nicht nur das innere Konfliktpotenzial und reduziert die Notwendigkeit aggressiver Abwehrmechanismen, sondern erlaubt Männern auch eine größere emotionale Reichhaltigkeit, eine tiefere Selbstwahrnehmung und eine verbesserte Fähigkeit zu authentischen und erfüllenden Beziehungen.
Eng damit verbunden ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, wie es insbesondere Jessica Benjamin (1988) in ihrer intersubjektiven Theorie formuliert hat. Eine reife Männlichkeit, so lässt sich argumentieren, bedeutet, andere Menschen – Frauen, Männer, Menschen jeglichen Geschlechts – nicht als Objekte der eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Projektionen oder Machtansprüche zu gebrauchen, sondern sie als eigenständige, gleichermaßen würdige Subjekte mit eigenen Rechten, Gefühlen und Perspektiven zu respektieren und anzuerkennen. Dieses Prinzip bietet einen fundamentalen Gegenentwurf zu den in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Mustern von Dominanz, Objektifizierung und Entwertung. Statt in einer destruktiven Logik von Herrschaft und Unterwerfung zu verharren, ermöglicht wechselseitige Anerkennung die Entwicklung partnerschaftlicher Beziehungen, in denen Unterschiede anerkannt und ausgehandelt, aber nicht hierarchisiert werden. Gerade die tief sitzende Angst vor dem Weiblichen – die unbewusste Fantasie, Frauen könnten den Mann entmachten, kontrollieren oder „kastrieren“ – verliert ihre Sprengkraft, wenn Beziehungen auf Dialog, Respekt und Kooperationsbereitschaft beruhen, anstatt auf einem Kampf um Überlegenheit. Ein Mann, der sich selbst als empathisch, beziehungsfähig und zugleich autonom erfährt, muss nicht mehr in aggressive Abwehrhaltungen oder misogyne Verachtung flüchten, sobald er sich in seiner männlichen Identität herausgefordert oder verunsichert fühlt.
Die Pluralität der Männlichkeiten ist dabei, wie die soziologischen Analysen (Connell, 2005; Kimmel, 2013) gezeigt haben, längst eine empirisch belegte und gesellschaftlich zunehmend sichtbare Realität. Es gibt eine wachsende Vielzahl von Wegen, „Mann zu sein“, die nicht zwangsläufig auf Härte, emotionale Verschlossenheit, Kriegsrhetorik oder Frauenhass gründen. Konzepte wie caring masculinity (Elliott, 2016) oder inclusive masculinity (Anderson, 2009) beweisen, dass ein fürsorgliches, gleichstellungsorientiertes und emotional offenes Selbstbild für viele Männer nicht nur möglich, sondern auch alltagstauglich und psychisch entlastend ist. Viele Männer erfahren, dass sie sich wohler und authentischer fühlen, wenn sie sich von den starren und oft widersprüchlichen Vorgaben traditioneller Männlichkeitsideale lösen können. Solche alternativen Spielarten männlicher Identität zeigen: Aggressiver Maskulinismus, wie er sich in Incel-Foren oder bei Alpha-Male-Gurus manifestiert, ist keineswegs „normal“, „natürlich“ oder unausweichlich, sondern stellt vielmehr eine extreme und oft pathologische Reaktionsweise auf die erlebte Krise des männlichen Selbstverständnisses und den Verlust traditioneller Privilegien dar.
Aus psychoanalytischer Sicht bleibt es essentiell, die Angst vor dem Weiblichen und die damit verbundenen Abwehrmechanismen aufzuarbeiten, die, wie Pohl (2004) und andere dargelegt haben, den Kern vieler sexueller und geschlechtsspezifischer Gewaltprobleme bilden. Männer müssen unterstützt werden, sich bewusst zu werden, dass ihre Wut, ihre Verachtung und ihr Hass auf Frauen oft eine Abwehr verschleierter eigener Abhängigkeitsgefühle, Verletzlichkeiten und Ohnmachtserfahrungen sind. In der Praxis könnte dies bedeuten, Jungen und Männern in pädagogischen, beraterischen oder therapeutischen Kontexten die Möglichkeit zu geben, ihre – meist unbewussten – Ambivalenzen, Ängste und Wünsche in Bezug auf Weiblichkeit und die eigene männliche Rolle zu erkennen, zu verbalisieren und zu reflektieren, anstatt sie in destruktiver Weise auszuleben oder zu projizieren. Auch präventive Angebote, etwa in Schulen, Jugendzentren oder im Rahmen der Elternarbeit, könnten einen sicheren und unterstützenden Rahmen schaffen, in dem Jungen lernen, ihre Emotionen wahrzunehmen und auszudrücken, Empathie zu entwickeln und alternative, nicht-gewaltförmige Konfliktlösungsstrategien zu erlernen, ohne gleich in die defensive Abwehrhaltung einer übersteigerten „Anti-Weiblichkeit“ gehen zu müssen.
Darüber hinaus ist die Inklusion und Anerkennung trans* und nicht-binärer Männer sowie die generelle Akzeptanz von Geschlechtervielfalt (vgl. Kapitel VI) ein wichtiger Schritt, um die männliche Geschlechtsidentität insgesamt zu öffnen, ihre binären Fixierungen zu lockern und rigide Abgrenzungszwänge zu reduzieren. Wenn gesellschaftlich und auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zunehmend klar wird, dass „Mannsein“ nicht an einen bestimmten Körper, an spezifische Genitalien oder an hierarchische Konstruktionen von Dominanz geknüpft sein muss, fällt auch der oft unbewusste Zwang weg, immer wieder die eigene männliche „Vollwertigkeit“ und Überlegenheit gegenüber Frauen oder anderen als „weniger männlich“ wahrgenommenen Gruppen beweisen zu müssen. Trans* und nicht-binäre Personen illustrieren auf eindrückliche Weise, wie Geschlecht von jedem Subjekt auf unterschiedliche und kreative Weise gelebt und interpretiert werden kann (Gherovici, 2017), und dass es nicht darum geht, Weiblichkeit als defizitäres „Gegenteil“ oder als bedrohliche Komplementärseite von Männlichkeit zu betrachten. Vielmehr kann Männlichkeit in einen spannungsreichen, aber potenziell konstruktiven und bereichernden Dialog mit diversen Formen der Geschlechtsidentität und des Begehrens treten.
Allerdings ist auch klar, dass sich das Verständnis und die Praxis von Männlichkeit nicht allein durch individuelle Einsicht oder therapeutische Interventionen verändern lassen. Es bedarf eines tiefgreifenden kulturellen und strukturellen Wandels, der neue, vielfältige Leitbilder für Jungen und Männer fördert und alternative Lebensentwürfe unterstützt. Hier spielen Politik, Medien, Bildungsinstitutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen eine wichtige Rolle. Förderprogramme für Väterzeiten, die Sichtbarmachung und positive Darstellung fürsorglicher Männer in Medien und Popkultur, eine geschlechtersensible Pädagogik, die Jungen nicht auf traditionelle Rollen festlegt, sowie konsequente Anti-Gewalt-Initiativen und Programme zur Prävention von Sexismus und Misogynie können wichtige Alternativen aufzeigen und neue Normen etablieren. Zugleich müssen Online-Plattformen und soziale Medien stärker in die Verantwortung genommen werden, konsequenter gegen Hate Speech, Verschwörungsmythen, Desinformation und die Verbreitung frauenfeindlicher und extremistischer Inhalte vorzugehen, damit insbesondere junge und verunsicherte Männer nicht in den Strudel digitaler Radikalisierung und hasserfüllter Echokammern geraten.
Insgesamt befindet sich das Konzept und die gelebte Realität von Männlichkeit an einem potenziellen Wendepunkt. Während manche Männer und gesellschaftliche Gruppen in der Defensive verharren, ihre schwindenden Privilegien mit verbittertem Protest und oft aggressiver Rhetorik verteidigen und eine Rückkehr zu vermeintlich „alten Sicherheiten“ propagieren, erproben andere längst neue, zukunftsfähige Wege eines beziehungs- und kooperationsfähigen, emotional intelligenten und gleichstellungsorientierten Mannseins. Die in diesem Essay dargelegten psychoanalytischen und soziologischen Forschungen verdeutlichen, dass Männer vom Loslassen des rigiden Dominanzanspruchs und der starren Abwehr des „Weiblichen“ nicht nur nicht verlieren, sondern im Gegenteil profitieren würden: Sie erhielten mehr emotionale Freiheiten, könnten tiefere und authentischere soziale Bindungen eingehen, erlebten weniger innere Zwänge und Konflikte und könnten ein reicheres und erfüllteres Leben führen. Statt permanenter Abgrenzung von Weiblichkeit oder anderen Geschlechtern und der damit verbundenen Angst vor Kontrollverlust rückt die Fähigkeit in den Vordergrund, Unterschiede anzuerkennen, Ambivalenzen auszuhalten und Beziehungen auf der Basis von Gleichwertigkeit und Respekt zu gestalten.
Der Ausblick ist daher, trotz aller Herausforderungen und Rückschläge, verhalten optimistisch: Eine neue Generation von Männern – und eine Gesellschaft, die sie dabei unterstützt – könnte bewusst auf jene reifen Affektfunktionen und intersubjektiven Kompetenzen setzen, die Fürsorge, Selbstreflexion, Empathie und wechselseitige Anerkennung einschließen. Diese Wandlung der Männlichkeit wäre kein Verlust an Stärke oder Identität, sondern ein Gewinn an Menschlichkeit, psychischer Gesundheit und Lebensqualität – nicht nur für Frauen und andere Geschlechter, sondern auch und gerade für die Männer selbst. Ein Mann, der nicht beständig und oft krampfhaft beweisen muss, ein „richtiger Mann“ im Sinne überholter Stereotype zu sein, hat mehr Raum für echtes Selbstsein, für kreative Entfaltung und für mitmenschliche Verbundenheit – und das ist ein Gewinn für alle.
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